Evers, Horst
hat der Nachbar praktisch
wortwörtlich so, Stück für Stück, laut in den Innenhof getwittert. Also, so
etwas verändert eine Hausgemeinschaft schon. Vor allem diese Formulierung, die
er da benutzt hat: Sprich «ramtadamta-damtadam» für menschliche Nähe Maximum,
Sexualität inklusive, das ist quasi zum geflügelten Wort geworden. Gerade auch
bei den Kindern, ramtadamtadamtadam. Ich weiß gar nicht, ob das dem Nachbarn
jetzt bei seinem Sorgerechtsstreit eher nützt oder schadet. Die Ehefrau war
natürlich sehr unzufrieden mit den, nennen wir es mal, Abschlüssen seiner
Geschäftsreise. Sagt dem Nachbarn, er kann erst mal im Garten zelten. Das Haus
hat aber keinen Garten, also Hotel. Der Nachbar jetzt natürlich verzweifelt,
weil Ehe in größter Gefahr, weiß nicht, was er machen soll. Dann doch noch eine
Idee, wieder Alkohol, Frau in Hotelbar getroffen, beide Alkohol, beide
Kontrolle verloren, beide plötzlich sehr sorglos, wieder ramtadamtadamtadam.
Das gleiche Spiel! Ein dreifach Hoch auf unseren Schützenkönig!
Jetzt hing
der Haussegen natürlich endgültig schief. Also schief hängen ist schon eine
starke Untertreibung. Darum hat die Frau ja dann auch alle seine Sachen ins
fünfte Zimmer geschafft, wobei fünftes Zimmer - die Wohnung hat ja nur vier
Zimmer. Deshalb war das fünfte Zimmer auch nur über das Wohnzimmerfenster zu
erreichen, mit einem Höhenunterschied von drei Stockwerken. Es war zwar sehr
groß, aber windig, extrem windig, weshalb er sich ja auch die kleine Wohnung
bei uns im Hinterhaus genommen hat.
Dann
stellte sich schließlich noch raus, die Kollegin, mit der er ramtadamtadamtadam
in Leipzig hatte, ist die Geliebte vom Chef gewesen, nun also auch auf Arbeit
quasi: Ende der Dienstreise.
Gut, so
weit die Vorgeschichte. Und jetzt passierte dem Herrn Riechmann aber das
Schlimme: Der Familienurlaub im Allgäu war ja schon gebucht. Das Verhältnis zur
Familie allerdings nun deutlich abgekühlt. Also ist mein Nachbar allein
gefahren, ins Allgäu, um mal Abstand zu gewinnen. Eigentlich ein guter Gedanke,
aber dann hatte mein Nachbar schon wieder Pech. Diesmal mit dem Klimawandel.
Denn unter anderem wohl wegen des Klimawandels war ja im Allgäu diese
furchtbare Bremsen- und Mückenplage. Gleich in der ersten Nacht hatte er
fünfzehn oder zwanzig Mücken in seinem Appartement. Minimum, also eher mehr,
jedoch minimum sicher zwanzig Mücken. Und die waren schnell, so schnell, das
glaubste nicht, die haste nicht gekriegt. Niemals. Der Nachbar war schon kurz
vorm Wahnsinnigwerden. Aber, aufgepasst, mein Nachbar ist auch ein sehr, sehr
schlauer Mann. Das wussten die Mücken natürlich nicht. Das wusste bis zu
diesem Punkt der Geschichte ja nicht einmal ich. Rückblickend kann man sagen,
da haben sich die Mücken aber mal den Falschen zum Piesacken ausgesucht. Herr
Riechmann entwickelte nämlich blitzschnell einen ziemlich brillanten Plan:
Alkohol! Er muss die Mücken nur betrunken machen. Dann werden sie langsamer und
unvorsichtiger, und zack!, hat er sie. Aber das geht natürlich nur indirekt: Er
muss den Alkoholgehalt seines Blutes erhöhen, dann stechen ihn die Mücken,
und zack!, haben sie einen sitzen. Er fungiert quasi als trojanisches Pferd für
den Alkohol. Ein genialer Plan. Er hat direkt eine Flasche Wein getrunken. Was
er dabei nicht bedachte: durch den Wein wird er ja auch selbst langsamer. Hat
deshalb die Mücken immer noch nicht erwischt. Quasi Gleichgewicht des
Schreckens. Hat also noch mehr getrunken, um die Mücken noch betrunkener zu machen,
ist aber selbst auch betrunkener geworden. Sozusagen Nato-Doppelbeschluss
zwischen ihm und den Mücken. Wettrüsten hoch drei. Schließlich hatte mein
Nachbar eine rettende Idee: Er brauchte nur jemand Nüchternes, damit der die
völlig betrunkenen, langsamen Mücken erschlägt. Also bei den beiden jungen
Frauen im Nachbarappartement geklopft. Jetzt war es da aber schon drei Uhr
nachts durch gewesen. Deshalb musste er total lange klopfen. Nachdem er die
Frauen dann endlich aus dem Schlaf getrommelt und sie gebeten hatte, in sein
Appartement zu kommen, um dort völlig betrunkene Mücken zu erschlagen, haben
die aber überhaupt gar nicht versucht, auch mal seine Position zu verstehen,
sondern direkt: Polizei. Die kam schnell, aber hörte gar nicht richtig zu,
stattdessen Missverständnis, Widerstand, Beleidigung, bisschen hin und her
schubsen, noch viel mehr Beleidigung. Am Ende haben sich sogar die Polizisten
geweigert, die völlig betrunkenen
Weitere Kostenlose Bücher