Evers, Horst
nur mit einer Reihe von
Fake-Profilen sehr bekannter radikaler oder krimineller Persönlichkeiten. Wer
mit diesen dann befreundet sein will, der werde routinemäßig überprüft. Ich sei
mehrfach auffällig geworden. Man habe eine ganze Menge Fragen an mich. Der BND
habe meine Termine der nächsten Woche überprüft, meinen Zahnarzttermin hätten
sie bereits abgesagt, damit ich zu ihnen zum Gespräch kommen könne. Ach du
meine Güte.
Die
Freundin schaut rein. Sie habe vergessen zu sagen, dass die russische Botschaft
am Nachmittag angerufen habe. Ein Professor Zakarov wolle sehr dringend mit mir
sprechen. Hätte irgendwie extrem formell geklungen. Ein Botschaftswagen würde mich
am nächsten Morgen sehr, sehr früh abholen.
Na ja,
eine Möglichkeit bleibt mir noch: Schreibe via Facebook an Ralf Meier: Was, als
er sich neulich völlig die Lampen ausgeschossen hat, was genau er da getrunken
hat?
PS: Da
Geschichten mit Tieren immer eine Moral haben müssen und diese hier im Verlauf
der Erzählung womöglich ein bisschen untergegangen ist, will ich sie gerne noch
einmal wiederholen: Es ist nicht der Sinn von Hausaufgaben, dass Eltern die
machen.
PS 2:
Maikes Vater hat Ural-Katze geschrieben.
Im schönen Odenwald
Sie sind
in den Odenwald gezogen. Ralf und Beate. Dort soll es so schön sein, so
idyllisch. Sagen Ralf und Beate. Ich müsse sie mal besuchen kommen. Es gäbe
dort noch Ecken, wo kein Handynetz hinstrahle, nichts gäbe es da, gar nichts.
Da habe man noch so richtig schön verlässlich seine Ruhe. Das sei wunderbar.
Das würde mir auch gefallen. Ralf und Beate sind gebürtige Berliner. Der Umzug
in den Odenwald war für sie wie eine Reise in ein weit, weit, weit entferntes Land,
eine völlig andere Kultur. Inbesondere auch vom Sprachraum her: «Weeste, die
Leute hier, da vastehste ja nischt, jar nischt vastehste, weeste? Die reden und
reden und reden, und du vastehst nischt. Jar nischt! Dit is so hübsch.» Falls
irgendjemand in der Republik noch denkt, die Berliner würden immer nur meckern,
wären ständig mufflig und unhöflich, dann sollte der mal Ralf und Beate
kennenlernen. Meines Erachtens repräsentieren sie mit ihrer Art das
eigentliche Berlin: eine leicht herablassende Freundlichkeit, die stete
Bereitschaft, sich zu wundern, und eine fröhliche Weltoffenheit, die aber nicht
krampfhaft versucht, andere Menschen oder Kulturen zu begreifen. Sie finden es
einfach hübsch, was es so alles gibt. Selbst im Odenwald. Als sie gesehen haben,
dass ich in ihrer Nähe auftrete, gab es kein Halten mehr: «Da kommste vorbei,
Horst, keen Thema, dit biste uns schuldig, musste machen, denn wirste sehn, dit
is so hübsch hier! Wirste sehn. So hübsch.» Also beschlossen Beate und Ralf,
Ebersberg, ihr neuer Wohnort im Odenwald, läge genau, aber haargenau auf meinem
Weg. Ich solle dort einfach aussteigen, sie würden mich vom Bahnhof abholen,
fürstlich bewirten und dann mit mir in ihrem Wagen zum Veranstaltungsort
fahren.
Es hätte
mich stutzig machen können, dass Ebersberg nur ein sogenannter Bedarfshalt war,
also wo man drücken muss, damit der Zug überhaupt hält. Stutzig machen können
hätte mich auch, dass diese Odenwald-Bummelprivatbahn über Ebersberg eigentlich
gar nicht so richtig auf meinem Weg lag. Zumindest verwundern hätte es mich
können, dass dieser Bedarfshalt Ebersberg mitten auf einem Acker im Nirgendwo
lag und der einzige andere Fahrgast auch noch fragte: «Schind Schie sischer,
dassch Schie da ausschsteigen wolle?» Das hätte mich nun wirklich misstrauisch
machen können. Doch um es mit einer alten niedersächsischen Redewendung zu
sagen: Hätte, hätte, Herrentoilette. Ich hatte den Bedarfshaltestellenknopf
gedrückt, also stieg ich auch aus. So ist das! Wer den Knopf drückt, der muss
auch aussteigen. Es gibt Regeln. Das ist wie im BVG-Bus. Da gilt kein: «Oh, ich
dachte, der hält erst viel später. Wusste nicht, dass da noch ne Haltestelle
ist. Wollte ja noch gar nicht drücken. War ein Versehen, wollte doch erst nach
der Haltestelle ...» Nix! Das gilt alles nicht! Wer den Knopf drückt, steigt
aus!!! Wozu hat man denn die Knöpfe, wenn die Leute dann gar nicht aussteigen?
Der Zug fuhr ab, und ich realisierte folgende Situation: Niemand wartete auf
mich. Nur ein unbefestigter Feldweg führte zu dieser Bedarfshaltestelle, die
aus einem kleinen Schotterhaufen, einem Holzpfosten mit Schild «Ebersberg» und
einem sehr verwaschenen Fahrplan bestand, dem ich mit großer
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