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Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
Vom Netzwerk:
allerdings
nur so lange, bis ich begreife, was ich eigentlich gerade behauptet habe. Es
hilft alles nichts. Ich werde beweisen müssen, dass es die Ulan-Ratte gibt.
Gehe meine Möglichkeiten durch. Das Einfachste wäre sicherlich, ein Genlabor zu
beauftragen, eine neue Art Bisamratte zu züchten und dann möglichst bald ein
Paar davon in Russland auszusetzen. Das wäre die wissenschaftlich seriöse
Variante, dauert aber natürlich viel zu lange. Außerdem, wie könnte ich dafür
sorgen, dass diese neuentdeckte Rattenart auch wirklich Ulan-Ratte genannt
wird? So geht es also nicht.
    Schade,
dann muss ich wohl doch einen Wikipedia-Eintrag fälschen. Nicht einfach, aber
ich habe ja einen Bekannten mit Wikipedia-Redaktionsrechten. Der aber sagt mir
am Telefon: «Nein, ich werde keinen Wikipedia-Eintrag für dich fälschen! Auf
gar keinen Fall! Und du kannst das auch nicht! Nein! Seit 2008 wird nämlich
jeder neue Beitrag gründlich geprüft! Zum Beispiel durch mich! Und: nein! Ich
werde so einen Quatsch niemals freigeben! Auch nicht für dich! Erst recht nicht
für dich! Auch nicht für kurz! Ich brauche auch keine Freikarten für Hertha!
Wikipedia ist eine absolut seriöse Quelle ... tätäätätäätätäätätää ...» Ich
lege auf. Denke: Na toll, die sollen mal nur so weitermachen bei Wikipedia.
Dann haben sie es irgendwann geschafft. Dann denkt sich nämlich niemand mehr
neues Wissen für Wikipedia aus.
    Berichte
stattdessen von meinem Problem bei Facebook. Mal gucken, was dieses soziale
Netzwerk wirklich kann. Da scheinen aber alle gerade andere Probleme zu haben.
Ein Ralf Meier, mit dem ich offensichtlich wohl auch irgendwie befreundet bin,
schreibt zum Beispiel: «Boah, gestern wieder völlig besoffen gewesen, aber
hammer-hackevoll. Mann.
    Heute
Hammer-Hacke-Kater-Dröhn-Birne! Mann! Hänge nur rum! Mann! Würg! Hammerkopp!»
    Was für
eine Nachricht. Obwohl, darunter steht: «Rainer Brüderle und siebzehn anderen
gefällt das.» Sag ich ja, bei Facebook findet jeder jemanden, der sein
Interessengebiet teilt.
    Mahmud
Ahmadinedschad schreibt, er überlegt, ob er seinen Präsidentenpalast verpixeln
lassen soll. Wegen Google Street View. Schreibe ihm, das müsse er selber
wissen. Kim Jongil antwortet, er lasse sein ganzes Land verpixeln, aber nicht
nur bei Google.
    Nach rund
einer halben Stunde bekomme ich plötzlich doch eine Antwort wegen meiner
Rattenfrage. Von Silvio Berlusconi, überraschenderweise auf Deutsch. Das sei
alles kein Problem, schreibt er. Ich solle mir einfach einen renommierten
russischen Zoologen bei Wikipedia suchen und dann selbst bei «gutefrage.de» die
Frage stellen: «Wer entdeckte die Ulan-Ratte?» Fünf Minuten später solle ich
auf «gute-frage.de» meine eigene Frage beantworten und zum Beispiel schreiben:
«Der berühmte Zoologe Professor Zakarov aus St. Petersburg entdeckte 2006 die
Ulan-Ratte in Russland.» Das als Überschrift, dann solle ich das Ganze im
Artikel noch mit ein paar Daten und Hintergrundinformationen ausschmücken.
Wenn man nun «Ulan-Ratte» und «Professor Zakarov» bei der Suchmaschine eingeben
würde, so Berlusconi weiter, käme als Erstes der Wikipedia-Eintrag vom
Professor und dann meine Antwort bei «gutefrage.de». Durch den Wikipedia-Eintrag
oben wirke das alles total seriös, da stelle niemand Fragen. Das würde
garantiert funktionieren.
     
    Als ich am
nächsten Abend beim Abendessen die Tochter nach ihrem Schultag frage, ist sie
ganz begeistert. Sie habe mit Frau Schnabel am Schulcomputer «Ulan-Ratte» und
«Professor Zakarov» gegoogelt. Frau Schnabel sei sehr beeindruckt gewesen,
habe sich mehrfach entschuldigt und hätte ihre Note sofort in eine Eins-plus
geändert. Auch lasse sie grüßen.
    «Siehst
du», sage ich, «es ist doch immer schön, wenn am Ende die Gerechtigkeit siegt.»
    Die
Tochter jubelt: Ja, Frau Schnabel sei ganz aufgeregt gewesen und habe gesagt,
das müsse sie sofort ihrem Mann erzählen, der Zoologe an der Freien
Universität Berlin sei... Spüre, wie meine innere Fröhlichkeit bröckelt.
Möglicherweise fällt der Sieg der Gerechtigkeit am Ende doch ein bisschen zu
hoch aus.
    Schleppe
mich an den Computer. Eine Mail von Frau Schnabel. Sie möchte sich sehr gerne,
sehr dringend mit mir unterhalten. Ich solle einfach einen Termin vorschlagen,
sie werde es einrichten. Außerdem habe ich eine Mail vom
Bundesnachrichtendienst. Sie schreiben, aufgrund der Sparmaßnahmen überprüfe
der BND radikale Strömungen in sozialen Netzwerken

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