Evers, Horst
bisschen Luft verschaffen vor der nervigen Angeberei
der anderen zum Beispiel, und deshalb solltest du die Frauke in jedem Fall einfach
mal fragen, wo ich doch aus sicherer Quelle weiß, dass die Frauke ja nur darauf
wartet, da wäre es ja blödsinnig, wenn du nicht...»
So redete
Thorsten Mannschott tagelang auf mich ein, bis ich sie endlich gefragt habe,
auf dem Nachhauseweg. Ein Gespräch, das ich niemals vergessen werde. Ich
eröffnete mit einem munteren:
- Ach guck, die Frauke.
- Hm.
- Jaja, die Frauke, guck.
- Guck, der Horst.
- Und? Die Frauke?
- Was gibt's, Horst?
- Och, die Frauke. Wie war die
Schule?
- Was? Weißte doch.
- Ja, weiß ich doch. Ja? Und? Sonst
so? Das Fahrrad? Fährt gut?
- Was?
- Na, ich mein nur, also, wenn mal
was ist mit dem Fahrrad. Musste nur sagen. Ich kann das ... ich mein ... ich äh
... ich kann das dann schon machen.
- Was willst du?
- Ich? Ahm. Nichts. Nur ... Ach,
nichts. Ach, die Frauke.
- Du willst aber nicht fragen, ob
ich mit dir gehe, oder?
- Ich? Nein. Haha. Warum denn so
was? Neinneinnein.
- Das ist gut.
- Ja, das ist gut. Das ist gut. Aber
jetzt nur mal angenommen, was wäre denn wenn?
- Was?
- Na, mal angenommen, ich würde
fragen, was würdest...
- Nein.
- Also jetzt, ich meine, ohne Tamtam
und so, sondern nur ...
- Nein.
- Das war jetzt auch quasi ganz inoffiziell...
- Nein.
- Ja gut, dann, aber ich wollte ja
sowieso nicht fragen.
- Ja, das wolltest du sowieso nicht.
- Aber nur mal so interessehalber.
Warum denn nicht?
- Weil ich das so nicht will, du
kannst nicht einfach nur so fragen, da muss mehr kommen.
- Wie? Was muss denn da noch mehr
kommen?
- Na, lass dir was einfallen, was
Romantisches oder so. Eigentlich hatte ich ab da ja gleich keine Lust mehr.
Aber Thorsten hat keine Ruhe gegeben: «Sie hat doch praktisch schon angebissen,
jetzt aber mal hopp, hopp, rauf auf'n Topp!»
Vor allem
Thorsten zuliebe habe ich es dann doch nochmal versucht. Zwei Tage später
wartete nach der Schule ein frischgeputztes, gewartetes, blitzendes Fahrrad auf
Frauke. Im nigelnagelneuen Satteltäschchen steckten drei Blümchen und ein
selbstgeschriebenes Gedicht. Acht Zeilen. Nur an die letzten beiden kann ich
mich noch einigermaßen erinnern. Sie gingen ungefähr: «Träum ich von deinem
Sternenhaar und wünsche mir, wir wär'n n Paar.» Auf diesen Reim war ich
besonders stolz. Also auf «Sternenhaar» und «wär'n 'n Paar». Eigentlich bin
ich immer noch stolz darauf. Möglicherweise habe ich die ganze Geschichte nur
wegen dieses Reims überhaupt noch einmal erzählt. Und es hat dann ja auch
geklappt. Die nächsten vier Wochen gingen wir zusammen. Komplett ohne alles
zwar. Aber immerhin, wir gingen miteinander. Schon irgendwie auch offiziell.
Kann man nichts sagen. Ihren Freundinnen hat Frauke übrigens erzählt, ich hätte
in ihrer heimischen Diele einen kleinen Altar für das Fahrrad gebaut, überall
Rosenblätter verstreut, klassische Musik laufen lassen, und alles hätte toll
nach Jasmin, Lavendel, Veilchen oder so gerochen. Daraufhin waren die
Freundinnen natürlich beeindruckt, weshalb ich die Geschichte so ließ, wie
Frauke sie sich gewünscht hatte.
Allerdings
glaube ich bis heute, dass noch nie ein Junge oder ein Mann irgendwas total
Romantisches mit Rosenblättern, Düften, Altären oder so gemacht hat, sondern
die Mädchen oder Frauen das immer nur erzählen, um die Freundinnen neidisch zu
machen, und die Männer nicken es nur ab, weil, es schad ja nix. Das ist sicher
ein weites Feld. Aus der sehr pragmatischen Beziehung wurde am Ende dann sogar
noch richtige, echte Liebe, allerdings nur bei Frauke und auch nicht mit mir,
sondern mit Thorsten Mannschott. Ich war benutzt worden. Trotzdem fand ich es
als Erfahrung natürlich super, und es hat mir auch tatsächlich ein bisschen den
Rücken frei gehalten für die dann folgende freundinlose Zeit. Fraukes von mir
gewartetes Fahrrad war übrigens nach wenigen Kilometern wieder kaputt. Möglich,
dass ich da eine oder mehrere Schrauben vergessen habe oder so, was wiederum
den tiefgründigen Satz eines anderen Freundes, Jörg Klusmann, bestätigt, der
irgendwann wohl ganz kurz einen tiefen Einblick ins Universum hatte nehmen
können, als er sagte: «Liebe macht nochmal anders rammdösig als
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