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Evies Garten (German Edition)

Evies Garten (German Edition)

Titel: Evies Garten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.L. Going
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    Dann sah sie in der Ferne den Jungen. Seine dunkle Gestalt schien wie immer aus dem Nichts aufzutauchen. Wo kam er nur her? Sie winkte ihm vorsichtig zu. Der Junge starrte sie an. Dann kam er auf Evie zu, und ihr Puls beschleunigte sich.
    Anfangs konnte sie seine Gesichtszüge nicht erkennen, doch als er näher kam, begann ihr Herz zu hämmern. Er hatte dunkles, strubbeliges Haar und dunkelbraune Augen, so wie der Junge auf dem Sterbebildchen. Er kam bis an den Rand des Friedhofs und blieb auf der anderen Seite der ersten Reihe von Grabsteinen stehen.
    »Hallo«, sagte er.
    »Hi«, grüßte Evie zurück, wobei ihr fast das Wort im Hals stecken blieb.
    Der Junge beugte sich vor. »Kannst du mich sehen?«
    Evie holte tief Luft und atmete gepresst aus. Er war nicht tot. »Klar«, sagte sie. »Du stehst doch da.«
    Der Junge sah an sich hinunter. »Das stimmt.« Er klang überrascht. »Aber ich hätte nicht gedacht, dass mich noch jemand sehen kann. Gut, dass du gekommen bist.« Er klang zufrieden. »Ich heiße Alex. Und du?«
    Evie merkte, dass sie ihn anstarrte, und sah schnell weg. »Evie Adler. Mein Vater und ich sind gerade in das alte Haus gezogen.«
    »Früher habe ich da drüben hinter den Bäumen gewohnt«, erklärte Alex und zeigte in die Richtung. »Aber jetzt wohne ich hier.«
    »Wo?«
    »Auf dem Friedhof.«
    Evie verzog das Gesicht. »Man kann nicht auf einem Friedhof wohnen«, sagte sie, doch Alex verschränkte nur die Arme.
    »Doch, kann man. Sieh dir doch die vielen Leute hier an.«
    »Die sind alle tot.«
    »Eben.«
    »Ich soll also glauben, dass du …«
    »Ich bin vor einer Woche gestorben.« Er nickte, als wäre damit alles gesagt. Evie fragte sich, warum er wohl so eine Geschichte erfand. Allerdings sah er dem Jungen auf dem Sterbebildchen wirklich auffallend ähnlich. Eigentlich sah er genau so aus wie dieser Junge.
    »Wenn du wirklich tot bist, warum kannst du dann hier stehen und dich mit mir unterhalten?«
    »Und warum nicht?«, fragte Alex gereizt zurück.
    Beinahe hätte Evie ihm verraten, dass ihre Mutter tot war, aber sie biss sich rechtzeitig auf die Zunge.
    »Ich weiß, was möglich und was unmöglich ist«, antwortete sie stattdessen etwas überheblich. »Mein Vater sagt, es gibt für alles eine wissenschaftliche Erklärung, wenn man nur tief genug gräbt.«
    »Vielleicht gibt es ja eine wissenschaftliche Erklärung, und vielleicht ist die Erklärung die, dass ich tot bin!«
    Alex setzte sich auf den Grabstein, der Evie am nächsten war, und sah sie eindringlich an. »Du solltest mir besser glauben«, sagte er. »Du kannst jeden fragen – alle werden dir sagen, was passiert ist. Zuerst lag ich lange im Krankenhaus, und dann wurde ich so krank, dass die Ärzte gesagt haben, sie könnten mich ebenso gut nach Hause entlassen, weil sie nichts mehr für mich tun können. Und da haben mich meine Eltern zurück nach Hause geholt und ich lag nur im Bett und starrte irgendwohin. Ich hab wirklich nur noch auf ein und denselben Fleck gestarrt, und dann bin ich gestorben und alle weinten und sagten, ich sei von ihnen gegangen. Aber ich wollte nicht weggehen und deswegen bin ich nicht gegangen.«
    Es klang so entschieden, wie man etwas nur sagen kann, und Evie dachte plötzlich an ihre Mutter. Auch sie war lange krank gewesen. Zuerst hatte sie zu Hause bleiben können, doch als der Krebs immer größer wurde, hatte sie genauso im Krankenhausbett gelegen, wie Alex es beschrieben hatte, und Dinge angestarrt, die Evie nicht sehen konnte. Der einzige Unterschied war, dass Mom nach ihrem Tod wirklich weggegangen war.
    »Das gibt es nicht«, entgegnete Evie heftig. »Niemand will sterben, aber trotzdem muss es jeder. Wie konntest du hierbleiben?«
    »Ich weiß auch nicht«, sagte Alex und zuckte mit den Schultern. »Ich bin einfach geblieben, und jetzt kann mich niemand mehr sehen – außer dir. Und selbst du glaubst mir nicht.« Er beugte sich vor. »Aber vielleicht bist du auch einfach nur zu feige, um herzukommen und dich selbst zu überzeugen.«
    »Ich bin nicht feige«, sagte Evie, doch als sie jetzt hinüber zum Friedhof schaute, schnürte sich ihr die Kehle zusammen. Alex, der immer noch auf dem Grabstein hockte, schnalzte mit der Zunge.
    »Wovor hast du Angst?«, wollte er wissen.
    »Vor gar nichts«, sagte Evie und hoffte, mutiger zu klingen, als sie sich fühlte. »Ich glaub dir nur nicht, das ist alles. Außerdem«, fügte sie hinzu, »gibt es nur einen einzigen Friedhof, auf den ich

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