Evolution der Leere: Roman
hellgrüne Linie schwebte in ihrer Exosicht, schnitt durch das Astronavigationsdisplay und erwartete ihren Vollzug. Irgendetwas ließ Paula zögern. Sie war sich fast sicher, dass, selbst wenn sie es schaffte, in zehn Stunden dort zu sein, längst alles gelaufen sein würde. Inzwischen hatte wohl jeder mit einem Team, das hinter Araminta her war, ihre neue Position herausgefunden. Sobald Living Dream ihre exakten geographischen Koordinaten kannte, würde es zu einem ziemlichen Gedränge kommen, sobald Agenten in dem Gebiet abgesetzt wurden. Entweder haute die Gruppe, die Araminta bisher beschützt hatte, sie abermals raus, oder sie reiste im Gewahrsam des stärksten Häscherteams von dort ab.
Die ganze Situation ergab wenig Sinn. Jedem, der auch nur ein bisschen Ahnung von der Materie hatte, wäre klar, dass Living Dream nach Bodant Park seine Fahndungstechniken verfeinern würde. Welche Helden es auch immer gewesen waren, die Araminta nach Chobamba ausgeflogen hatten, sie konnten sich diesbezüglich nichts vorgemacht haben, auch wenn sie nicht wussten, wie gut Ethans Traummeister waren. Grundregel Nummer eins lautete demnach, Araminta, wenn sie sich erst mal in Sicherheit befand, von der Bildfläche verschwinden zu lassen.
Wer also hat sie dorthin gebracht?
Die Hälfte der Fraktionen, die sie jagten, hätten sie ohne weiteres getötet, um zu verhindern, dass die Accelerators sich einen Vorteil verschafften. Die meisten anderen - jene mit ähnlichen Zielen oder Ambitionen wie die Accelerators - hätten ihr ein Geschäft angeboten. Und trotzdem war die gute Araminta noch immer da, durchforstete nach wie vor Inigos Träume und schien sich um nichts und niemanden im Universum zu kümmern.
Paula zog scharf die Luft ein. Natürlich! Die einfachste Erklärung ist immer die wahrscheinlichste. Sie ist sich der Gefahr gar nicht bewusst und steht folglich auch nicht unter dem Schutz irgendeines professionellen Teams. Aber wie in Gottes Namen ist sie dann nach Chobamba gekommen?
Sie schickte ihren U-Shadow auf Mission, jeden auch noch so kleinen Fitzel an Informationen über Araminta zu erfassen. Alles, was Liatris McPeierl zusammengetragen hatte; die Files aus der städtischen Datenbank von Colwyn City, Unterlagen aus Langham über ihre Familie und deren agrarkybernetisches Unternehmen, Finanzunterlagen, medizinische Unterlagen (sehr wenige, sie besaß ein hervorragendes Advancer-Erbgut), gerichtliche Unterlagen - größtenteils ihre schmutzige Scheidung betreffend, die von der Anwaltskanzlei ihrer Cousine abgewickelt worden war. Alles davon entsprach völlig dem Durchschnitt; nichts ließ die junge Frau in irgendeiner Weise herausstechen aus den Milliarden anderen Bürgern der Externen Welten.
Aber sie ist anders. Sie ist ein Träumer. Irgendwas macht sie höchst außergewöhnlich. Nur was? Gore ist auch einer geworden, und das ist unfassbar, es gibt wohl niemanden, der mehr im Praktischen verwurzelt wäre als Gore. Trotzdem ist er hinter das Geheimnis gekommen. Die einzige Theorie zu der Frage, wieso Inigo von Edeard träumt, geht davon aus, dass sie irgendwie miteinander verwandt sind ... Familie. Paulas Herz machte vor Aufregung einen Satz. So wie Gore und Justine. Scheiße! Aber Araminta hat von einem Skylord geträumt ... Frustriert stieß sie ein leises Knurren aus, klopfte sich mit der Hand gegen die Schläfe. »Komm schon, denk nach!« Klammer das mit dem Skylord erst einmal aus. Bleib an dem familiären Aspekt dran ... Ihr U-Shadow ging Aramintas Vorfahren durch, setzte Geburtsdaten in Beziehung und erfasste Lebensgemeinschaften. Verfolgte ihre Herkunft durch Generationen zurück.
Schließlich flammte ein kleines File in Paulas Exosicht auf. Es war ein Auszug aus Aramintas Familienstammbaum.
»Heilige Scheiße«, japste Paula auf. Da war es, klar und wunderbar deutlich, fünf Generationen in der Ahnenreihe zurück. Ohne dass sie irgendwelche Sekundärroutinen zu Hilfe nehmen musste, hob sich der Name aus der Liste hervor und sprang sie geradezu an.
»Mellanie Rescorai«, flüsterte sie, ebenso verblüfft über den Fund wie erfreut. »Oh ja. Über tausend Jahre, und sie bedeutet immer noch nichts als Ärger.« Aber das Beste war, dass Mellanie sich einen Silfen-Freund nannte, genau wie ihr erster Ehemann Orion. Paula erinnerte sich an eine Begegnung vor mehr als achthundert Jahren, als Mellanie dem Commonwealth wieder mal einen ihrer Besuche abgestattet hatte; sie waren beide zu irgendeinem hochwichtigen
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