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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Bereich sich
wie ein Deckel an, und ein dürrer Hals erhob sich über den
Boden und durchstieß die Schicht aus Lehm und Kompost. Ein
schnabelartiger Mund öffnete sich weit.
    Das Dinosaurier-Baby tat den ersten Atemzug. Der kleine Kopf
wackelte, und die winzigen Schuppen und Federn waren noch mit Dotter
verklebt. Das Geschöpf sah aus wie ein zu groß geratenes
Vogelkind.
    Auf diesen Moment hatte das Didelphodon gewartet. Dieses
Säugetier von der Größe einer Hauskatze war eins der
größten Säugetiere seiner Zeit. Es war gedrungen mit
einem schwarzsilbernen Fell. Plötzlich machte es einen Satz,
packte das Saurier-Baby am Hals, riss es aus der Eierschale und warf
es in die Luft.
    Das Leben des Saurierbabys war eine kaleidoskopartige Abfolge
intensiver Eindrücke: die kalte Luft außerhalb der
gesprungenen Schale, das verschwommene Glühen des Kometen, das
Gefühl zu fliegen. Und dann tat sich eine heiße Höhle
unter ihm auf. Das noch mit Eigelb verschmierte Baby war sofort
tot.
    Inzwischen brachen immer mehr Babys aus dem Boden. Sie
schlüpften alle zur gleichen Zeit. Auf dem Erdboden wimmelte es
plötzlich nur so von Dinosaurier-Babys. Das Didelphodon und noch
gefräßigere Säugetiere setzten sich an den reich
gedeckten Tisch.
    Eine uralte Überlebensstrategie besteht in Redundanz.
Dinosaurier waren Reptilien, die ihre Eier auf dem Erdboden ablegten.
Obwohl manche Eltern über ihre Brut wachten, hatten sie keine
Möglichkeit, die verwundbaren Gelege und Jungen ständig zu
kontrollieren. Also legten die Dinosaurier viele Eier, und zwar so,
dass der Zeitpunkt des Schlüpfens synchronisiert wurde. In
diesem Moment mussten Dutzende Gelege, die über diesen Abschnitt
des Waldes verteilt waren, ausgebrütet sein und Hunderte von
Jungen schlüpfen. Die Strategie dabei war, den Waldboden mit
Dinosaurier-Babys förmlich zu überschwemmen, sodass selbst
die gierigsten Räuber damit überfordert waren, alle
aufzufressen. Die meisten Jungen würden zwar umkommen, aber das
war nicht so wichtig. Es genügte, dass ein paar
überlebten.
    Doch hier und heute war die Strategie gescheitert – mit
schrecklichen Konsequenzen für die Dinosaurier-Babys. Die Mutter
der Jungen war ein Jäger, der von der Herde getrennt worden war.
Verwirrt, hungrig und selbst in Furcht vor Räubern hatte sie die
Eier am alten, vertrauten Ort abgelegt – diese Brutstätte
war Jahrtausende alt – und mit modrigen Pflanzenresten
abgedeckt, um sie warm zu halten. Im Grunde hatte sie alles richtig
gemacht, nur dass es der falsche Zeitpunkt war und die Jungen ohne
die Deckung von ein paar hundert anderen schlüpfen mussten.
    Die Luft war erfüllt vom Gestank von Blut, dem Knurren der
Räuber und dem kläglichen Piepen der todgeweihten Jungen.
Zu diesem gruseligen Bankett hatten sich viele Säugetierarten
eingefunden. Das Didelphodon repräsentierte die
größte. Es gab ein Paar Deltatheria, rattenartige
Allesfresser, die weder Beutel- noch Säugetiere waren –
eine einzigartige Linie, die zusammen mit den Dinosauriern unterging.
Viele der versammelten Kreaturen hatten ein Potenzial, das ihre
aktuelle Erscheinungsform weit überstieg; so war zum Beispiel
ein unauffälliges kleines Geschöpf Urahn der Linie, aus der
einmal die Elefanten hervorgehen würden.
    Doch im Moment ging es ihnen allen nur darum, sich den Bauch voll
zu schlagen. Weil es den Säugern zu lang dauerte, bis die Jungen
sich aus den Eiern gepellt hatten, gruben sie den Lehm um und trugen
auf der Suche nach weiteren Eiern die Moosschicht ab, die die
Saurier-Mutter übers Nest gebreitet hatte.
    Als Purga eintraf, hatte die Brutstätte sich bereits in ein
›Killing Field‹ mit einer zuckenden Masse fressender
Säugetiere verwandelt. Die als Nachzüglerin erschienene
Purga grub sich gierig in den Boden. Bald knirschten winzige Knochen
in ihrem Maul. Und weil sie den Kopf auf der Suche nach Leckereien so
tief in den Boden gesteckt hatte, spürte sie die Rückkehr
des Saurier-Muttertiers auch als Letzte.
    Sie hörte ein zorniges Bellen und spürte, wie der Boden
erbebte.
    Purga zog den Kopf aus dem Boden. Die Schnauze war noch von Dotter
verklebt. Die anderen Säugetiere flohen in den Schutz des
grünschwarzen Waldes. Streiflichtartig sah Purga das
Geschöpf in voller Lebensgröße. Ein unglaubliches
gefiedertes Ungeheuer hing mit gespreizten Gliedern und offenem Maul
in der Luft. Dann fuhr eine riesige, mit Klauen bewehrte Hand aus dem
Himmel herab.
    Purga rollte sich zischend weg. Zu

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