Ewig sollst du bueßen
Fall geblieben â
weil er ein Zeuge war? Hatte er versucht, sich selbst zu schützen?
Anna lieà sich von dem Taxi zu dem neuesten und teuersten Gebäude
auf der 18th Street bringen. Sie bezahlte den Fahrer, atmete tief durch und
ging zum Eingang.
Der Mann am Empfang betätigte den Türöffner und lieà sie in Nicks
Wohnhaus. Die Lobby war ihr vertraut und fremd zugleich, es war, als ob sie als
Erwachsene ihre Grundschule besuchte. Sie hatte vergessen, wie glänzend und
modern dieser Ort war. Der schwarze Granitboden, die alles überragende
Stahlskulptur, die vom Boden bis zur Decke reichende Fenster. Das alles blitzte
unter sorgfältig verteilten Strahlern und war ein Kontrast zu den Orten, an
denen sie sich üblicherweise aufhielt: ihre Kellerwohnung und ihr Kellerbüro im
Gericht.
Annas klackernde Absätze hallten durch die Lobby, als sie zum
Empfang ging. Dort saà Tyler hinter seinem Kommandostand aus Stein und Glas und
sah in seinem schwarzen Outfit wieder aus wie ein Model.
Anna versicherte sich, dass die jungen Millionäre, die hier wohnten,
zur Arbeit waren. Vor siebzehn Uhr würden sie nicht zurückkommen und Nick würde
keinesfalls vorher auftauchen. Sie hatte eine Stunde. Hoffte sie.
»Oh, hallo, Anna!« Tyler schaute erfreut von seinem Us-Weekly-Magazin auf. »Lange nicht gesehen! Wie geht es
Ihnen?«
»Gut, danke. Und Ihnen?« Sie dachte an ihr letztes Gespräch, Tyler
war gerade mit seinem Freund zusammengezogen. »Wie geht es ⦠Brandon?«
»Prima! Wir haben uns eine Eigentumswohnung gekauft und renovieren.«
Er hielt eine Handvoll bunter Farbkarten hoch. Anna deutete auf eine
wasabigrüne.
»Das ist schön«, murmelte sie.
»Danke. Für die Küche, denke ich. Nick ist noch nicht von der Arbeit
zurück. Möchten Sie hier auf ihn warten?«
»Ehrlich gesagt weià ich, dass er nicht hier ist. Ich hatte gehofft,
dass Sie mir helfen können.«
Tyler blickte sie fragend an.
»Ich weià nicht, was Nick Ihnen erzählt hat, warum wir uns getrennt
haben.« Anna wartete seine Antwort ab, aber Tyler schüttelte nur den Kopf. Sie
senkte ihre Stimme und schaute zu Boden. »Es gab eine andere Frau.«
»Oh, das tut mir leid. Männer können Schweine sein.«
»Ich weiÃ. Aber wir versuchen, es wieder hinzubekommen. Vielleicht
schaffen wir es. Aber ich muss etwas wissen. Deshalb brauche ich Ihre Hilfe.«
Anna beugte sich über den Tresen und schaute auf die Schalter,
beleuchteten Tasten und vielen Monitore, auf die von Ãberwachungskameras rund
um das Gebäude Bilder übertragen wurden. Sie konnte sehen, was an der
Eingangstür passierte, im Garten und auf der Dachterrasse. Sie konnte sich
selbst sehen, wie sie sich in der Lobby über Tylers Schreibtisch beugte. Sie schaute
Tyler an.
»Tyler, gibt es Bänder mit dem Material, das die Ãberwachungskameras
übertragen?«
»Ist alles im Computer gespeichert. Das hier ist das beste
Sicherheitssystem, das man kaufen kann«, antwortete er stolz, bevor ihm klar
wurde, was sie von ihm wollte. »O nein, Anna, das kann ich nicht tun.«
Sie wünschte, sie hätte daran gedacht, eine Verfügung mitzubringen.
»Bitte, Tyler«, sagte sie. »Sie sind der Einzige, der helfen kann.
Ich muss wissen, ob sie hier war.«
Tyler schüttelte den Kopf â und fing dann aber an, auf der Tastatur
seines Computers zu tippen. »Ich werde es noch bereuen. Wissen Sie, an welchen
Tagen Sie nachsehen wollen?«
»Samstag, sechzehnter August. Abends.«
Tyler fing an, auf einer Seite mit Dateien nach unten zu scrollen,
während Annas Herz laut vor sich hin hämmerte. »Ich brauche ein bisschen«,
sagte Tyler und tippte weiter.
Um sich zu beruhigen, ging Anna auf die Rückseite der Lobby, wo man
durch eine Glaswand auf einen japanischen Garten blicken konnte. Sie
betrachtete das Wasser, das über einen kleinen Wasserfall in einen darunter liegenden
Teich strömte. Orangefarbene, schwarze und weiÃe Kois zogen gemächlich ihre
Kreise unter den ausladenden Ãsten eines japanischen Ahorns. Das friedliche
Bild war ein scharfer Gegensatz zu dem Gefühl, dass ihr Oberkörper ihr wie
ausgewrungen vorkam.
»Das ganze Zeug bleibt nur sechs bis sieben Monate im System«,
warnte Tyler. »Es könnte schon überschrieben worden sein. Wenn der Speicher
voll ist, recycelt sich das System
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