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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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betrat das Lokal und kam schnurstracks an seinen Tisch. Wortlos legte er einen Zettel vor Wagner, drehte sich um und ging wieder.
    Wagner traute seinen Augen nicht. Er las:
     
    A+E+I+O+U = 1+5+9+15+21 = 51
    In römischen Ziffern: L und I
Frühjahr 1541, Staufen im Breisgau/Vorderösterreich
    E s hatte begonnen … Georg Sabellicus, der sich selbst Faustus, der Gesegnete, nannte, kniete in der Gebetsnische seines Laboratoriums und dankte seinem Schöpfer für die Gnade, die dieser ihm zuteilwerden ließ. Leise hörte er zu, wie es im tönernen Cucurbit brodelte und zischte. Bald würde der Dampf aus dem Destillierkolben in den Alembik aufsteigen. Dann endlich wäre es so weit, er würde den Destillierhelm aus Keramik nur noch auszukratzen brauchen und das gewonnene Pulver in die dafür vorgesehene Form pressen, um endlich, nach Jahren der Entbehrungen, am Ziel seiner Mühen zu sein. Endlich! Der Alchemist konnte es kaum fassen. Der Weg war lang und beschwerlich gewesen, aber der Inhalt des trichterförmigen Aufsatzes würde ihn für alles entschädigen.
    »Visita interiora terrae rectificando invenies occultum lapidem«, murmelte Faustus in seinen Bart. Danach kratzte er sich am Kopf. Wieder war ein Büschel Haare mehr zwischen seinen Fingern. »Verfluchtes Quecksilber und Antimon!«, zischte er. Aber sogleich huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Mit einer gleichgültigen Handbewegung warf er die Haare auf den Boden. Worüber sollte er sich aufregen?
    O ja, er hatte die inneren Bereiche der Erde aufgesucht, alles richtig gemacht, den verborgenen Stein gefunden. Aber wie hatten sie über ihn gespottet! Als fahrenden Scharlatan hatten sie ihn bezeichnet. Der feine Abt Trithemus, neidisch auf seine Erfolge in der schwarzen Kunst, hatte ihn diffamiert. Luther hatte ihn öffentlich als Erzspitzbuben beschimpft. Egal, dass er dem Herrn von Hutten korrekt den Ausgang seiner Expedition vorausgesagt hatte. Verreckt war der Ritter in der neuen Welt, wie er, Faustus, es vorausgesehen hatte! Er konnte machen, was er wollte, er blieb in den Augen der Herren nur der Schausteller auf einem bunten Wagen, der die Welt unstetig durchwanderte und Wässerchen und Horoskope verkaufte.
    Aber darüber wollte er fortan nur noch lachen. Faust hatte sich vorgenommen, auf den Gräbern seiner Feinde zu tanzen. Und das würde er. Gewiss würde er das. So sicher, wie auf den Abend der Morgen folgte.
    Mühsam rang er sich ein Lachen ab, aber seine von den Dämpfen und Reagenzien zerfressene Lunge machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Ein heftiger Hustenanfall schüttelte seinen Körper. Er zog ein Sacktuch hervor, um sich den Mund zu wischen. Als er es betrachtete, bemerkte er das Blut daran. Gar nicht beachten. Nein, nein. Er schüttelte den Kopf, schlug ein Kreuzzeichen und erhob sich mühevoll von seinen Knien. Das alles spielte bald keine Rolle mehr.
    Mit geübten Fingern schürte er das Feuer unter dem Destillierkolben. Wehmütig betrachtete er die Muffeln, Aschkuppellen, Blasen, Retorten, Aludeln und all das andere Gerümpel, das seine Laborausrüstung darstellte. Wie sehr hasste er es, wie sehr liebte er es. Sein ganzes Geld war dafür draufgegangen. Jede Münze hatte er investiert, in Ausrüstung, Material, geheimnisvolle Ingredienzen aus allen Teilen der Welt. Sein Leben, sein Glück, seinen guten Ruf, alles hatte er für seinen Traum aufgegeben. Sanft streichelte er mit den Fingerspitzen über einen Siebtrichter und schloss die Augen.
    In dem Moment hörte er ihr Gelächter. Oh, wie sie sich amüsierten über ihn, den Spitzbuben, den Scharlatan … Mit beiden Fäusten ausholend schlug er auf seine Ausrüstung ein. Die Keramiken flogen durcheinander, Behälter zerbarsten und ergossen ihren Inhalt auf den Boden oder spuckten ihn in bunten Staubwolken in die Luft. Faust spürte plötzlich die feinen Körner zwischen den Zähnen.
    »Ihr wollt mich umbringen?«, schrie er. Mit dem rechten Arm wischte er all seine Gefäße und Werkzeuge von der grob gehobelten Tischplatte. »Ich bin der Meister! Ich habe Millionen Legionen unter mir! Bevor ihr das schafft, holt mich der Teufel!«, brüllte er und sprang auf den Tonscherben auf und ab und zermalmte sie mit seinen Füßen. Der Schutt knirschte unter seinem Gewicht, als er ein Tänzchen wagte, wobei er sich vorstellte, der Haufen sei ein Epitaph.
    Das lauter werdende Brodeln im Destillierkolben zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Schweiß perlte auf seiner hohen, faltigen Stirn. Mit

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