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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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aussteigen ließ.
    Während alle anderen sich der Burg zuwandten, ging der Unbekannte nach rechts, dem schmäleren Ende der tropfenförmigen Insel zu. Es war noch wärmer geworden und ein leichter Wind strich durch die Zweige. Man konnte den Frühling bereits riechen.
    Kaum war er außer Sichtweite der Burg, stieg er einen Abhang hinunter bis zu einem Gebüsch am Rande einer Geröllhalde, die er vorsichtig überquerte. Einige Steine polterten unter seinen schweren Schuhen und unter einem ausladenden Baum stieß er auf zwei Steinplatten und stemmte eine davon langsam zur Seite. Darunter kam eine Öffnung zum Vorschein, einige abgetretene Stufen, die in die Dunkelheit führten. Mit der Taschenlampe in einer Hand und einer kleinen Karte in der anderen verschwand er unter der Erde. Seine Informanten hatten Recht gehabt. Der Gang, der in Vergessenheit geraten war, bestätigte die Legende, wonach ein arabisches Mädchen Tod und Verderben über die Burg ihres Vaters gebracht hatte, weil sie ihrem christlichen Angebeteten diesen geheimen Zugang zur Burg verraten hatte. Der Ritter missbrauchte das Vertrauen und eroberte die Burg im Sturm. Der Emir und seine Tochter wählten den Freitod.
    Als die letzte Fähre dieses Tages wieder am Ufer anlegte, fiel niemandem auf, dass einer der Passagiere von der Insel nicht zurückgekehrt war.
    Eingerollt in seinen Schlafsack verbrachte er die Nacht in der Finsternis des unterirdischen Geheimgangs, den die Templer einst als Fluchtmöglichkeit gebaut hatten. Er schlief tief und fest. Als seine Armbanduhr ihn erst nach Sonnenaufgang weckte, schlüpfte er leise und unbemerkt aus seinem Versteck und begann mit seinen Vorbereitungen. Er schob die Steinplatte wieder an ihren Platz, verwischte seine Spuren und hinterließ den Ort, wie er ihn vorgefunden hatte, offenbar unberührt. Langsam wanderte er in Richtung Almouriel und wartete auf die ersten Touristen, die von der Fähre jede halbe Stunde auf die Insel gebracht wurden. Gegen Mittag hatte er sein Opfer ausgemacht, eine alleinreisende Rucksacktouristin, eine junge Spanierin auf Kultururlaub, wie sich im ersten Gespräch herausstellte.
    Sie war arglos und freute sich, als er sie einlud, sein karges Mahl – zwei Sandwichs und Mineralwasser – zu teilen. Sie setzten sich etwas abseits der hohen Mauern unter einen Baum, der nahe dem Wasser stand. Als sie auf die Zyankali-Pille biss, die in dem Sandwich versteckt gewesen war, war sie erst überrascht und wollte dann den vermeintlichen Olivenkern ausspucken, aber mit einem schnellen Griff an ihre Kehle und einer Hand auf ihrer Nase zwang er sie zum Schlucken.
    Dann ließ er sie los und beobachtete, wie sie zuerst zuckte und sich am Boden in Krämpfen wand, die Augen weit aufgerissen, und wie panisch um sich schlug. Dann streckte sie sich plötzlich und lag ganz ruhig. Der Killer fühlte ihren Puls und als er sicher war, dass sie tot war, nahm er einen elastischen Schlauch aus seinem Rucksack, zog sich dünne Gummihandschuhe an und führte ihr den Schlauch in die Speiseröhre ein.
    Am Ende des roten Gummischlauchs war ein Gewinde, an dem er vorsichtig eine Metallflasche befestigte und darauf achtete, nichts zu verschütten. Dann ließ er das Nervengift in ihren Magen rinnen. Der chemische Kampfstoff VX war direkt aus Bio-Kampfwaffen-Laboratorien nach Lissabon geflogen worden und einen Tag vor ihm auf dem Flughafen angekommen. Er war schon in kleinsten Dosen tödlich und die farblose Flüssigkeit wirkte über einen langen Zeitraum, selbst im freien Gelände. Geruchs- und farbneutral, war VX nur schwer aufzuspüren, aber darum ging es ihm nicht. Es sollte ein Zeichen sein, wie in Wien. Nur die Adressaten waren diesmal andere.
    Er zog sein Messer und ritzte in die Stirn seines Opfers »Agnes« ein, bevor er die Leiche an das steile Ufer der Insel im Tejo zog und sie so hinlegte, dass nur ihr Kopf unter Wasser war. Den Rest des Körpers bedeckte er mit den runden Steinen des Flussbetts, bis er wie eine kleine, in den Fluss ragende Böschung aussah. Die Öffnungen im Kopf – Nase, Mund, Augen, Ohren – würden das Gift langsam an das Wasser freigeben und einen ökologischen Supergau verursachen, der bis Lissabon jeden Fisch im Tejo töten würde.
    Nachdem der Unbekannte alles wieder in seinen Rucksack eingepackt hatte, wanderte er um die Insel herum zum Bootssteg, nahm die nächste Fähre ans Ufer und schlenderte zurück zu seinem versteckten Wagen. Keine Stunde später war er auf dem Weg nach

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