Ewig
mit der Stiefelspitze ein sechszackiger Stern in den Staub der Straße gezeichnet worden. Spielende Kinder, die einen Stoffballen an einer Schnur nachzogen, verwischten ihn wenige Minuten später.
Lissabon – Almouriel/Portugal
D as Tor der Botschaft in der Rua S. Caetano in Lissabon öffnete sich wie von Zauberhand und der schwarze Mercedes mit dem diplomatischen Kennzeichen und der Standarte am Kotflügel tauchte in den Schatten der alten Gasse ein. Der einzelne Passagier auf der Rückbank rückte seine Ray-Ban-Sonnenbrille zurecht und lehnte sich zurück. Er war gestern aus Wien angekommen, aus einer kalten und trüben Stadt. Als der Airbus den Anflug auf den Flughafen von Lissabon begonnen hatte und über die ersten Häuser einschwenkte, glänzte der Tejo unter ihnen im Vorfrühling. Die Nacht in der Botschaft war luxuriös gewesen, er war wie ein hochrangiger Staatsgast behandelt worden: Der Botschafter hatte mit ihm zu Abend gegessen und seine Sekretärin als »Zerstreuung« angeboten. Der hagere Mann hatte höflich, aber bestimmt abgelehnt.
Als der Wagen keine zwei Kilometer später in der Avenida Infante Santo am Park von Estrela vorbeifuhr, klopfte der Mann dem Chauffeur kurz auf die Schulter. Der fuhr sofort rechts an den Straßenrand, hielt an und der Unbekannte stieg aus. Nachdem der Wagen der Botschaft wieder verschwunden war, ging er durch den Park, ein Spaziergänger von vielen, im eleganten Staubmantel mit dazu passendem breitkrempigem Hut, der den Großteil seines Gesichts verdeckte. Am anderen Ende angekommen, ging er nach links in die Straße des heiligen Bernhard und blieb bei einem parkenden grauen Fiat Punto stehen, den er nach einem kurzen prüfenden Blick aufschloss und sich hineinsetzte. Ein Griff ins Handschuhfach genügte und er wusste, dass alles bereit war. Dann reihte er sich zügig in den Verkehr Lissabons ein und verließ die Stadt nordwärts, immer dem Tejo entlang.
Keine neunzig Minuten später erreichte er die alte Templerstadt Tomar, die schon im zwölften Jahrhundert von dem berühmten Orden gegründet worden war und seitdem das Symbol der Templer, das Tatzenkreuz, im Wappen führte. Die Frühlingssonne strahlte auf die hoch aufragende Burg im Zentrum der mittelalterlichen Stadt. Tomar war von Anbeginn an das Hauptquartier des Ordens in Portugal gewesen und nach der Verbannung der Templer blieb es das Zentrum der Nachfolger, des Christus-Ordens.
Aber die Templerstadt war nicht sein Ziel und so hielt er nur kurz am Stadtrand bei einer vorher vereinbarten Adresse, um seine Ausrüstung zu komplettieren. Der junge Mann hinter der Theke stellte keine Fragen, er schob das Paket über die zerkratzte Resopalplatte und sah sofort wieder weg. Dann machte sich der Unbekannte auf den Weg zum Tejo, der keine halbe Stunde entfernt lag.
Er vermied die Autobahn, benützte kleine Straßen durch die hügelige Landschaft und kam schließlich nach einer Bahnunterführung, keine hundert Meter vom Fluss entfernt, zu einem Anwesen, das rechts von der Straße lag und verlassen zu sein schien. Das kleine Wäldchen davor versteckte den grauen Fiat perfekt.
Als sich der Unbekannte umgezogen hatte, war aus dem eleganten Stadtflaneur ein Wanderer mit Rucksack und staubigen Bergschuhen geworden. Er schloss sorgsam den Fiat ab und legte die letzten dreihundert Meter zur Fähre zu Fuß zurück. Dann blieb er kurz stehen und vergaß nicht, aus der Flasche an seinem Gürtel etwas Wasser über seinen Kopf zu gießen. Verschwitzte Touristen waren hier an der Tagesordnung. Von seiner gewohnten Eleganz war nichts mehr zu sehen. Er kam sich schmutzig und deplaciert vor.
Lange bevor er die kleine Fähre erreichte, sah er sie: Kühn ragte die alte stolze Burg auf einer Insel nahe dem linken Ufer des Tejo in der Mittagssonne auf, uneinnehmbar wie eh und je. Almourol oder Almouriel, wie die Burg früher hieß, war zwei Jahre vor der Festung von Tomar fertiggestellt worden. Die Templer hatten sich hier mitten im Fluss ein Denkmal gesetzt, ein Symbol von Stärke und Kraft, von Stolz und Macht, ein Symbol, das mehr als neunhundert Jahre Bestand hatte und heute noch genauso beeindruckend war wie zu Zeiten der Kreuzzüge.
Ein blaues schmales Boot verband Insel und Ufer, und so reihte sich der hagere Mann in die kleine Gruppe der Touristen ein, die Almouriel besuchten. Nur vier weitere Wanderer waren mit ihm auf der Fähre, die keine fünf Minuten für die Strecke benötigte und sie an dem schmalen Steg der Insel
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