Ewig
wenigen Schritten war er dort. Es war so weit, die richtige Temperatur war erreicht. Es hatte begonnen …
Da plötzlich zerbarsten mit lautem Krach die Dielen der Türe. Faust fuhr herum. Sein Famulus stürmte in das Laboratorium, eine Axt in der Hand. Im Türrahmen hinter ihm konnte Faust fünf Männer erkennen, die ihm auf dem Fuße folgten. Der Alchemist kniff die Augen zusammen, konnte ihre Gesichter im flackernden Licht der Kerzen nicht ausmachen. Er sah, dass sie weiße Mäntel mit einem roten Kreuz und einem Stern darunter trugen.
»Wer zum Teufel seid ihr und was wollt ihr?« Keine Antwort. Nur die Turmuhr in der Ferne schlug Mitternacht. Es war plötzlich still, nur das Brodeln im Destillierkolben war noch zu hören. Sogar das Gelächter im Untergeschoss war mit einem Mal verstummt.
Ohne Vorwarnung sprangen zwei der Eindringlinge auf ihn los. Mühelos brachten sie den ausgemergelten Körper des Alchemisten in ihre Gewalt. Aus den Augenwinkeln konnte Faust beobachten, wie die drei anderen sich sogleich anschickten, das Feuer unter dem Destillierapparat zu löschen. Sie begannen sofort alles, was er von seinem Lebenswerk übrig gelassen hatte, zu zerschlagen. Er heulte auf vor Wut und wehrte sich mit aller ihm zu Gebote stehender Kraft gegen den eisernen Griff der beiden Unbekannten. Ein heftiger Faustschlag traf ihn mitten ins Gesicht. Als er den Blick hob, erkannte er, dass es sein Gehilfe gewesen war, der den Hieb ausgeführt hatte.
»Hundsfott! Degenerierte Schlange!«, presste Faust hervor und spuckte Johann Wagner an. Der Adlatus wischte sich das Gesicht. Voller Ekel betrachtete er den dunkelroten Schleim auf seinem Handrücken. Ein zorniger Kehllaut entfuhr ihm, dann schlug er abermals zu. Wieder und immer wieder.
Die Männer, die Faust festhielten, rührten keine Miene, schauten unbewegt zu. Als den Adlatus die Kraft zu verlassen schien, bemerkte Faust, dass er die schönen weißen Mäntel seiner Besucher durch sein Husten und Bluten total besudelt hatte.
»Da werden eure Wäscherinnen im Kloster aber einiges zu tun haben«, röchelte er, gefolgt von einem gurgelnden Lachen. Befriedigt lächelte er aus seinem zerschlagenen Gesicht, denn über die steinerne Miene von einem hatte er kurz einen Schauder huschen sehen. Ja, er wusste es, er wusste alles, er kannte das Geheimnis. Da zerrten sie ihn auch schon zur nächsten Wand, packten seinen Kopf und schlugen ihn gegen die Steine des Gewölbes. Eine Welle von ungekanntem Schmerz durchwogte seinen Körper. Er schrie auf, dass seine Lungen brannten. Sie rissen ihn brüsk herum, kurz darauf wurde ein weiteres Mal sein Hinterkopf gegen Gemäuer geschmettert. Dann wurde es ganz still und ruhig um Faust.
Es schien ihm, die Zeit verginge langsamer. Wie aus weiter Ferne hörte er Klirren und Krachen, sah sein Leben in Trümmer gehen. Mehrmals durchquerte er schwebend, von hell schimmernden Engeln getragen, sein Laboratorium. Stimmen drangen dumpf und dunkel an sein Ohr. Durch einen feuchten Schleier fiel sein Blick. Zwei rote Kreuze, zwei lodernde Sterne. Sechs Zacken. Wofür stand doch gleich die Sechs? Egal. Feuchtes Gemäuer kam näher, verschwand wieder und stürzte doch wieder auf ihn zu. Immer wieder. Dann wurde es dunkel, stockfinstere, pechschwarze Nacht, schwarz und zeitlos wie der Rachen der Hölle.
Die Magd schrie sich fast die Seele aus dem Leib, als sie am nächsten Morgen die verdrehte und zerschmetterte Leiche des Magisters Faustus am Misthaufen fand. Sein Schädel war zerborsten und leer, das Gesicht fast bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert. Der herbeigerufene Magistrat der Stadt wunderte sich über den Verbleib des Gehirns.
Ein Büttel fand es schließlich und holte den Beamten ins Laboratorium des Toten. Den Bewaffneten und Offiziellen stockte der Atem, so etwas hatten sie alle ihr Lebtag noch nicht gesehen. Das Gewölbe war bis zu den Schlusssteinen mit Blut und Hirnmasse bespritzt.
Der hinzugeeilte Geistliche presste sich durch die eingeschlagene Pforte, stieg über die Dielen, die am Boden kreuz und quer lagen, schob Stadtwache und Magistrat zur Seite und schlug sogleich ein Kreuz. »Nun ist es geschehen, liebe Leute!«, rief er so laut, dass man ihn bis auf die Straße hörte. »Den Erzspitzbuben hat letztlich doch noch der Teufel geholt!«
Bei diesen Worten stieß sich der Mann, der vor der Tür im Erdgeschoss an der Wand gelehnt hatte, ab und ging davon. Bald war er im Gewühl der Gassen verschwunden. Wo er gestanden hatte, war
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