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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Morgenverkehr war lebhaft, und sie musste sich aufs Fahren konzentrieren.
    »Wo bist du?«, fragte Ralf.
    »Ich fahre gerade auf den Ring, Richtung Tikkurila.«
    »Halt an der nächstmöglichen Stelle an, wo dich niemand sieht.« In Ralfs übertrieben ruhiger Stimme lag ein aufgeregter Unterton. Noora wurde schwindlig.
    Etwas war schief gegangen. Und zwar gewaltig.
    »Hörst du?«
    »Was ist …«
    »Sieh zu, dass du das Navigationstelefon loswirst. Sofort. So, dass es niemand sieht. Vergiss die Handschuhe nicht. Dann fährst du weiter zur vereinbarten Stelle. Ich ruf dich später wieder an.«
    Nooras Herz fing an zu hämmern. Sie blickte sich um. Auf der Autobahn konnte sie nicht anhalten. Sie trat aufs Gas und schaute in den Rückspiegel. Auf einmal hatte sie das Gefühl, als könnte sie jeden Moment von der Polizei angehalten werden. Und das war nicht bloß ein Gefü hl: Sie hatte ein Gerät bei sich, das die Staatsgewalt, wenn nötig, direkt zu ihr lotsen würde.
    Und dieser Moment schien, so wie Ralf klang, nicht sehr fern zu sein.
     
    Der Diensthabende von SecuriGuard schaute auf den stehen gebliebenen Punkt auf der Karte.
    »Auf der Porvooer Autobahn, kurz vor der Auffahrt auf den Ring III«, sagte er zu dem Polizisten am anderen Ende der Leitung. Er hatte zu keinem der beiden Männer auf der Sechs Kontakt herstellen können, also hatte sein Vorgesetzter entschieden, der Polizei eine Meldung zu machen.
    »Die Streife sagt, da ist nichts. Besteht die Möglichkeit eines technischen Fehlers?«
    »Das glaube ich nicht. Das Auto steht schon eine halbe Stunde auf derselben Stelle. Sie sollen auch auf kleineren Nebenwegen und in Waldstücken nachsehen.«
     
    Noora musterte Ralf, der Kleider aus Sakombis Tasche in den Schränken des Wohnmobils verstaute. Nachdem es bei Tagesanbruch bewölkt gewesen war, klarte der Himmel jetzt am späten Vormittag auf. Das Auto war in Hirvihaara bei Mäntsälä, 50 Kilometer nördlich von Helsinki, geparkt. Noora war sofort hergefahren, nachdem sie das Navigationstelefon aus dem Wagen geworfen hatte.
    »Wozu habt ihr einen Werttransporter gebraucht?«, fragte sie tonlos. »Und wo ist er überhaupt?«
    Ralf machte eine weitere Schranktür auf und legte Jeans in die Fächer. Das Innere des Wohnmobils war blitzsauber, Küchenzeile und Sitzkissen eingeschlossen. Auf dem Boden lag ein Filzteppich.
    »Und wo ist das Geld?«
    Noora packte Ralf am Arm. Er riss sich los.
    »Was ist passiert?« Nun brach Nooras Stimme. »Sprich mit mir!«
    Ralf hielt inne und sah ihr in die Augen. »Wir hatten ein paar … Schwierigkeiten. Ein Unfall. Dabei ist der Fahrer ums Leben gekommen.«
    Noora starrte Ralf entsetzt an. »Ein Unfall? Erzähl mir doch nicht so eine Scheiße!«
    »Du wirst bald in den Nachrichten hören, dass der Wagen ausgebrannt ist. Die Flamme von Sakombis … Schneidbrenner hat ihn in Brand gesetzt.«
    »Schneidbrenner? Wofür habt ihr den denn gebraucht?«
    »Um in den Laderaum hineinzukommen.«
    »Aber dafür hätte man doch …«
    »Wir haben die Verriegelung nicht öffnen können.«
    Noora holte tief Luft. Sie gab sich Mühe, ihre Wut zu beherrschen. »Es hätte niemand ums Leben kommen dürfen.«
    »Es war ein Unfall.«
    »Erzähl das der Polizei und dem Richter! Was ist mit dem Geld?«
    »Wir haben es verloren.«
    »Ihr verdammten Idioten!« Noora konnte es nicht fassen.
    Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Wofür habt ihr den Geldtransporter gebraucht? Sakombi hat gesagt, ihr wolltet das Auto rauben.«
    »Das hast du falsch verstanden. Natürlich haben wir versucht, an das Geld zu kommen.«
    »Wir werden jetzt wegen Raubmord gesucht. Was sollen wir tun?«
    »Um sechs legt das Schiff von Helsinki nach Travemünde ab.«
    Noora seufzte vor Enttäuschung und Zorn. Die wochenlange Arbeit war umsonst gewesen. Und ein Mensch war ums Leben gekommen … Noora war über sich selbst, über ihre Art, mit den Ereignissen der Nacht umzugehen, schockiert. War der Verlust der Beute für sie schlimmer als der Tod eines unschuldigen Menschen?
     
    In der Välikatu in Porvoo ging Timo die halb morschen Stufen zum Garten hinunter. Er hatte versprochen, Aaro und Soile nach Helsinki mitzunehmen. Von dort würde Soile den Bus zur TH in Espoo nehmen. Aaro würde sich die noch fehlenden Schulbücher kaufen und dann ebenfalls zur TH fahren, um das Au-pair-Mädchen zu treffen. Es war wichtig, dass sie gut miteinander auskamen. Anschließend konnte Aaro mit seinem Freund Niko wieder zurück nach Porvoo. Niko

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