Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
Vom Netzwerk:
Zähne leuchteten. »Ich mag Regen. Als Kind in Nsele habe ich Tag und Nacht vom Regen geträumt, wenn die Trockenzeit kein Ende nahm.«
    Es war das erste Mal, dass Noora hörte, wie Sakombi von sich selbst sprach. »Ich habe geglaubt, du wärst in Europa aufgewachsen.«
    »Mit 16 habe ich den Kongo verlassen und bin nach Belgien gegangen. In den 50er Jahren sind dort viele Leute hin, man brauchte billige Arbeitskräfte. Sobald ich alt genug war, selbst über mich zu entscheiden, ging ich nach London.«
    »War dein Vater … ein Weißer?«, fragte Noora vorsichtig.
    »Ich will nicht über ihn reden.«
    Noora verkniff sich weitere Fragen, obwohl es sie interessiert hätte, mehr von Sakombi zu erfahren. Man merkte an seiner Art, seinen Worten, seinem Verhalten, dass er eine Ausbildung genossen hatte, aber es war schwer zu sagen, in welchem Maß und auf welchem Sektor. Körperliche Arbeit war er jedenfalls nicht gewohnt, das sah man an seinen Händen.
    Noora hatte ihn auf dem Rückweg von Sankt Petersburg in Krasnoselskoe aufgegabelt und versucht, aus ihm herauszubekommen, worum es bei der Operation tatsächlich ging. Aber Sakombi hatte behauptet, ebenso wenig zu wissen wie sie.
    Noora glaubte ihm nicht. Aber sie konnte ihn auch nicht zum Reden zwingen. So hatten sie sich eher allgemein über die Verantwortungslosigkeit multinationaler Konzerne und über aktuelle Probleme der Weltwirtschaft unterhalten. Auch dabei hatten sie nicht über Afrika und die speziellen Probleme des Kontinents gesprochen, Sakombi mied jedes persönliche Thema. Er war ein Mann voller Geheimnisse, irgendwie faszinierte er Noora.
    »Der finnische Regen dürfte kälter sein als der afrikanische«, sagte sie, als sie um den Wagen herum zur Fahrerseite ging.
    Nachdem sie sich ans Steuer gesetzt hatte, nahm Sakombi das Navigationstelefon aus dem Handschuhfach. Er prüfte, ob es noch genügend Strom hatte, und legte es wieder zurück.
    »Fahr den Rest der Strecke im üblichen Tempo«, sagte er. »Siebzig. Warte ab, bis wir dich anrufen.«
    Sakombi wollte gehen, aber Noora hielt ihn am Ärmel fest.
    »Was wird hier gespielt?«, fragte sie mit ängstlicher, müder Stimme. Sie hatte sich auf eine kriminelle Aktion eingelassen und die Risiken, die damit verbunden waren, akzeptiert. Trotzdem, oder gerade deswegen, glaubte sie das Recht zu haben, den ganzen Plan zu kennen und nicht nur die allernötigsten Bruchstücke.
    »Ach, Noora. Bist du wirklich so ahnungslos? Warum fährt man nach Russland, wenn man das Geld schon in Finnland hat? Warum fährt man durch die Gegend und haut nicht einfach mit der Beute ab?«
    Sakombi löste behutsam ihren Griff. »Du wirst bald mehr als genug wissen. Aber Ralf entscheidet, wann du wie viel erfährst. Du hast doch sicher bemerkt, dass wir einen Werttransporter beraubt haben? Oder besser geraubt.«
    Sakombi schlug die Beifahrertür zu, und Noora legte verwirrt den ersten Gang ein. Plötzlich begriff sie, was Sakombi meinte.
    Sie hatten das Auto geraubt, nicht den Inhalt.
     
    Das beigefarbene Dethleffs-Wohnmobil auf Fiat-Ducato-Basis zeichnete sich im nassgrauen Schein des Morgens ab. Neben ihm stand der Werttransporter und etwas abseits ein PKW der Marke Renault.
    Ralf und Sakombi hatten die ursprüngliche Ladung des Werttransporters – jene Kisten und Mappen, die mit dem Sprengsatz hineingepasst hatten – in das Wohnmobil umgeladen.
    Sakombi lag unter dem Fahrzeug, und Ralf reichte ihm eine Gasschweißpistole, aus der eine scharfe blaue Flamme zischte. Die Gasflaschen und das Werkzeug standen im offenen Laderaum des Werttransporters. In der Ecke lag der gefesselte Fahrer, nun wieder mit verbundenen Augen und Kopfhörer.
    »Den Dreizehner«, sagte Sakombi und gab die Schweißpistole zurück.
    Ralf suchte im Werkzeugkasten nach dem Schraubenschlüssel.
    »Halt die Abdeckung fest«, sagte Sakombi unter dem Wagen.
    Ralf griff nach der schweren kunststofflaminierten Blechplatte, die den septischen Tank und den Wasserbehälter abgedeckt hatte und sich nun teilweise nach unten bog, denn beide Tanks waren entfernt worden.
    Dort hatten sie jetzt die Kernladung von vier Kilotonnen versteckt. Sie sicher aus Russland herauszubringen, war eine Herausforderung gewesen. Es hatte nicht das geringste Risiko einer Grenzkontrolle bestehen dürfen. Und sie hatten keinen Moment vergessen dürfen, wie begehrt so eine Kernladung war – immerhin konnte man damit Städte wie New York, London oder Paris zerstören. Mit ihrer Hilfe konnte man

Weitere Kostenlose Bücher