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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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die Wahrheit enthielt, die Ralf zu verwirklichen beschlossen hatte.
    Die hohe Tür öffnete sich.
    »Herr Kline, Fräulein Fuchs«, sagte der Sekretär mit dem Kruzifix um den Hals. »Folgen Sie mir bitte.«
    Sie folgten dem Mann in einen ungeheuer hohen, gut erleuchteten Gang, dessen Deckengewölbe Fresken in hellen Farben zierten. Die Besucher des Papstes begegneten nie ihren Vorbesuchern, denn diese wurden durch den gegenüberliegenden Gang zum Cortile di Sisto Quinto geleitet. In der Mitte des Ganges öffnete der junge Priester die eine Hälfte einer Flügeltür, ließ die Besucher eintreten und kehrte in sein Büro zurück.
    Der spärlich möblierte Raum mit dem Marmorboden war von gewaltiger Größe. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Schreibtisch. Dahinter saß ein bejahrter Mann mit weißen Haaren und schrieb.
    »Guten Abend«, sagte Papst Clemens XV. ohne von dem Dokument aufzublicken, das er gerade unterzeichnete. Seine samtene Stimme wurde weit in den hohen Raum hinaufgetragen.
    Ralf räusperte sich. »Guten Abend, Heiliger Vater.«
    »Guten Abend«, sagte Noora mit gedämpfter, aber fester Stimme.
    Ralf durchquerte langsam den Raum, den Blick auf den Papst geheftet. Noora folgte ihm. Clemens XV. – Francisco Ronaldo Nogueira – war mit seine n 71 Jahren in guter Verfassung. Den Feinschliff hatte ihm ein behütetes Leben in Kirchen, Bibliotheken und Konferenzräumen gegeben. Er legte ein Schreiben zur Seite, das im Briefkopf das Symbol des CEM trug. Dessen einflussreiche Vertreter wurden im Weißen Haus ebenso vorgelassen wie im Vatikan und im Kreml.
    Mit seinen dunklen Augen begegnete der Papst Ralfs Blick. »Setzen Sie sich bitte. Sind Sie zum ersten Mal in Rom?«
    »Nein«, antwortete Ralf, worauf er seine Lippen befeuchten musste.
    Die kurze Antwort brachte den Papst nicht in Verlegenheit. Er war nervöse Besucher gewohnt. Auf dem Tisch stand eine Porzellantasse, aus der es nach Kamillentee roch. »Kommen Sie direkt aus München?«
    »Wir sind nicht aus München.«
    »Verzeihung? Ich hatte die Vorstellung …«
    »Ihre Vorstellung ist falsch. Ich bin nicht Sebastian Kline. Mein Name ist Ralf Denk.«
    Der Papst wirkte irritiert.
    »Ich bin der Neffe von Pater Eugen.«
    Nun runzelte der Papst die Stirn. Ein wachsamer Blick war in seine Augen getreten. »Da ist dem Governatorato wohl ein Fehler unterlaufen. Der Neffe von Pater Eugen?«
    »Erinnern Sie sich an Eugen Denk?«
    »Ich war eine Zeit lang als Bischof in Lüderitz. Aber …«
    »Mein Onkel hat mich großgezogen, nachdem mein Vater starb. Dann starb er selbst.«
    »Ist Pater Eugen tot?«
    »Er hat sich erhängt.«
    Der Papst richtete sich auf. Vollkommene Stille breitete sich im Raum aus. Die Sünde des Selbstmords. Katholische Priester begingen keinen Selbstmord – jedenfalls nicht offiziell.
    »Er zog die richtige Konsequenz«, sagte Ralf leise.
    »Sie sind unter falschen Personenangaben hierher gekommen. Entfernen Sie sich, oder ich rufe die Wachen.« Die Hand des Papstes bewegte sich auf das Telefon zu.
    »Ignem veni mittete in terram«, sagte Ralf langsam und schob die Hand in die Brusttasche. Er zog einen Brief des Papstes hervor, der aus wenigen Zeilen bestand. »Sehen Sie sich das an, Heiliger Vater.«
    Clemens XV. streckte unsicher die Hand aus. Dann fuhr sein Blick scharf über die Zeilen. Das Papier fing an zu zittern.
    Plötzlich beugte sich Ralf über den Schreibtisch. Bevor der Papst reagieren konnte, ergriff Ralf dessen Arm und stach die Nadel der füllerähnlichen Injektionsspritze hinein.
    »Schreien Sie nicht!«, zischte Ralf und zog sich wieder auf seinen Platz zurück. »Unternehmen Sie nichts. Wir gehen jetzt. Falls man uns aufhalten sollte, gehen dieser Brief und ein Text, den ich über die Angelegenheit verfasst habe, an die Nachrichtenagenturen.«
    Der Papst hielt sich den Arm. »Was war in der Spritze?«, fragte er mit vor Panik brüchiger, heiserer Stimme. »Antworten Sie …«
    Ralf ging neben Noora auf die Tür zu.
    »Ein Gruß aus Afrika.«
    Der alte Mann rappelte sich hinter seinem Tisch hoch. »Warten Sie! Lassen Sie uns reden!«
    »Bleiben Sie, wo Sie sind, und vergessen Sie nicht, was ich gesagt habe. Bitten Sie Ihren Sekretär, uns hinauszugeleiten, und verhalten Sie sich normal, sonst wird schon morgen die ganze Welt diesen Brief lesen können.«
     
    ZWEITER TEIL
     
    22
     
    Die orangefarbenen Lampen entlang der Autobahn leuchteten vor dem immer dunkler werdenden Himmel. Timo blickte auf die Uhr am

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