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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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den orange gefärbten Haaren, deren Kleider sogar in der bunten Menge der Reisenden auffielen: eine tief auf den Hüften sitzende helllila Hose mit Schlag, eine noch grellere Bluse. Die Nieten an ihrem Gürtel korrespondierten perfekt mit dem Lederarmband.
    Die Frau fuhr zusammen, als Timo vor ihr stehen blieb und sich gequält räusperte. »Reija?«
    »Ja …« In dem Moment bemerkte sie Aaro, der hinter Timo stand. »Hallo, Aaro, ich hab dich gar nicht gesehen …«
    Timo registrierte ihre schwere Zunge. Hatte Reija dem Getränkeangebot im Flugzeug nicht widerstehen können?
    »Gehen wir.« Er konnte seinen Missmut nicht verbergen. »Wo ist dein Gepäck?«
    »Hier.« Reija drückte die beiden kleinen Stofftaschen, die sie auf dem Schoß hielt.
    Timo nahm sie ihr ab und ging mit energischen Schritten auf die automatische Tür zu. Ein paar Reisende wichen ihm aus. Draußen blieb er an der Absperrung vor der Taxischlange stehen und zog einen Zettel und einen Stift aus der Tasche. »Ich muss noch mal ganz schnell zur Arbeit … Ihr fahrt mit dem Taxi nach Hause.« Während er sprach, schrieb er die Adresse auf den Zettel.
    »Sei vorsichtig mit dem Boiler«, sagte er zu Aaro, als er ihm die Wohnungsschlüssel gab. »Wenn das Sicherheitsschloss nicht aufgeht …«
    »Dann trete ich die Tür ein«, fuhr Aaro fort, hellwach durch die neueste Entwicklung. »Mach dir keine Sorgen, wir kommen schon klar. Sieh zu, dass du klarkommst.«
    Timo gab Aaro den Zettel.
    »Ich kenne die Adresse.«
    »Ich weiß, aber den gibst du dem Fahrer.«
    Timo nahm einen 50-Euro-Schein aus dem Portemonnaie, den letzten, den er hatte, und gab ihn Reija.
    »Das Taxi kostet ungefähr 25 Euro. Nehmt euch Bettwäsche aus dem Schrank. Im Gefrierfach ist Brot und in der Kammer H-Milch. Was ihr im Kühlschrank findet, ist alt.« Er sprach mit ernster, gesenkter Stimme, als würde er Befehle für eine sehr wichtige Operation erteilen. Unter den fahlen Neonlampen des Betondachs hingen die Abgase der Taxis. »Sieh zu, dass das Sicherheitsschloss auch dann zu ist, wenn ihr in der Wohnung seid. Macht niemandem auf. Ich habe im Büro noch einen Schlüssel.«
    Timo schrieb zwei Telefonnummern auf einen anderen Zettel, den er Reija gab. »Falls etwas ist, erreicht ihr mich unter diesen Nummern.«
    Aaro stieß ihn in die Seite. »Nun geh schon. Wir kommen zurecht.«
    »Und vorläufig keinen Blödsinn«, sagte Timo zu Aaro ohne den Anflug eines Lächelns. »Verstanden?«
    Aaro nickte, ernster als sonst. »Wann kommst du?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Timo eilte im Laufschritt zum Parkhaus. Er blickte sich um und sah, wie sich eine merkwürdig gekleidete junge Frau und ein dünner, kleiner Junge bei den Taxis anstellten.
    Mit dem Parkhauslift fuhr er zur Abflugebene hinauf, lief zu den Parkplätzen im Freien hinaus und zu seinem Wagen. Er war sauer auf Reija wegen ihrer gedankenlosen Trinkerei auf dem Weg zur Arbeit. Andererseits verstand er, dass der Service im Flugzeug einer unerfahrenen Reisenden schon mal einen Streich spielen konnte.
    Aber gerade jetzt hätte er sich gewünscht, sie hätte sich als etwas besonnener erwiesen. Hätte er ihr mit noch mehr Nachdruck sagen müssen, dass sie niemand in die Wohnung lassen durfte?
    Wieder kam Timo ein Gedanke, den er sofort abzuwehren versuchte: Wer einem Kind wie Aaro so etwas antat wie auf der Fähre, nahm auch ernstere Konsequenzen billigend in Kauf. Der Junge hätte sterben können. Und wenn man bedachte, was sie mit Heidi Klötz getan hatten, bedeutete ihnen die Unversehrtheit eines Menschen nicht viel.
    Die Tatsache, Aaro durch eine Fehleinschätzung in Lebensgefahr gebracht zu haben, quälte Timo zusehends. Belastend war auch, dass eine Gruppe wie die G1 seine Identität kannte und ihm jederzeit wied er gefährlich werden konnte.
    Schon allein darum wollte er Ralf Denk und seine Komplizen hinter Gittern sehen. Punkt.
    Timo öffnete die Zentralverriegelung seines Wagens. Im selben Moment klingelte sein Telefon. Auf dem Display stand S OILE .
    »Hallo«, sagte eine muntere Stimme. »Wie geht’s?«
    »Bestens«, antwortete Timo farblos. »Wir sind am Flughafen. Reija ist angekommen. Macht doch einen ganz guten Eindruck. Wir sind gerade unterwegs und werden bald ins Bett gehen. Wir können morgen telefonieren. Gute Nacht.«
    Timo legte schnell auf und fuhr die Parkplatzrampe hinunter. Er beschleunigte bei der Ausfahrt und sah im Rückspiegel nach den Leuchtschildern der Taxis, die in die gleiche Richtung

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