Ewige Schreie
sie vorbereitete Grab legen, sondern ihr auch noch einen angespitzten Pflock ins Herz stoßen.
Nein, nein! Niemand konnte das von ihm verlangen. Es war unmöglich, sie war tot. Sollte er sie noch einmal töten? Einfach umbringen? Eine Tote umbringen?
Er hob den Kopf. »Ich… ich kann es nicht!« flüsterte er. »Nein, das bringe ich nicht fertig. Tut mir leid, Gladys, das geht über meine Kraft…«
Wieder nahm er den Zettel. Noch einmal las er die Nachricht. Wort für Wort. Er spürte direkt, wie eindringlich seine Frau ihn gebeten hatte, so zu handeln, wie sie es für richtig hielt. Sicherlich hatte sie ihre Gründe gehabt. Etwas versponnen war sie schon immer gewesen. Sie hatte manches Mal von einer bösen Aura gesprochen, die den alten Friedhof überlagerte. Dort wurde seit Jahren niemand mehr begraben. Und Gladys wollte dort ihre Letzte Ruhestätte, finden. Weshalb nur?
James McMullogh überlegte hin und her. Er kam zu keinem Ergebnis. Der Fall blieb ein ebenso großes Rätsel wie der Selbstmord seiner geliebten Frau.
Und mußte man nicht den Letzten Willen eines Gestorbenen erfüllen? War das nicht die Pflicht der noch Lebenden?
James dachte darüber nach und über die Worte, die Gladys geschrieben hatte.
Da entschloß er sich, ihr den Gefallen zu tun. Ja, er würde sie auf dem Friedhof begraben, aber er wollte auch das Rätsel dieses unheimlichen Totenackers lösen.
Einen Pflock sollte er ihr ins Herz stoßen. Er schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht sein, das durfte er nicht tun, er konnte doch keiner Toten so…
Wie ein Kind schluchzte er auf. Plötzlich durchlief ein starkes Zittern seine Gestalt, sein Mund öffnete sich, ein Krächzen drang hervor, die Augen traten aus den Höhlen, dann fiel er nach vorn. Er streckte noch die Arme aus, berührte seine in der Schlinge hängende Frau, doch halten konnte er sich nicht. Er rutschte ab, fiel zu Boden und blieb bewußtlos liegen.
Die Tote bewegte sich noch immer, und ihre Beine pendelten langsam hin und her…
***
Meine Mutter hatte Geburtstag!
Seit zwei Jahren erlaubte es mir die Zeit, bei ihrem Festtag dabei zu sein. Mein Gott, wie hatte sie sich gefreut, als ich so überraschend eintrat, denn eine Überraschung war es wirklich gewesen. Bewußt hatte ich nicht angerufen, mir Urlaub genommen, den mein Chef, Sir James Powell, zähneknirschend bewilligte, und dann war ich losgefahren. Von London nach Schottland.
In einer Tour.
Es tat dem alten Bentley mal gut, wieder ein langes Stück Asphalt unter den Rädern zu spüren. Uber die Autobahn, bei uns Motorway genannt, jagte ich in Richtung Norden, überquerte die Grenze und erreichte schließlich Lauder, den kleinen Ort, in dem sich meine Eltern zur Ruhe gesetzt hatten.
Nach seiner Pensionierung, mein Vater war Anwalt gewesen, hatte es ihn wieder nach Schottland gezogen, denn aus diesem Land stammte unsere Familie.
Ja, wir hatten einen Stammbaum, sogar mit einem Dämon darin. Mit Schrecken erinnerte ich mich noch an das Abenteuer, das ich mit diesem Dämon erlebt hatte.
Das war vorbei, aber mein Vater hatte versprochen, in dieser Richtung weiter Nachforschungen anzustellen. Bei Telefongesprächen mit ihm konnte ich erfahren, daß er bisher noch keinen Erfolg verbucht hatte. Das halbe Dorf war versammelt. Das große Haus reichte gerade aus, um die Gäste zu fassen. Meiner Mutter standen die Tränen in den Augen, als ich zu ihrem Sechzigsten eintraf.
»Junge!« rief sie immer wieder. »Junge, mein Gott, wie freue ich mich darüber!«
Sie umarmte und küßte mich, wollte sich nicht darüber beruhigen, daß ich gekommen war.
Auch mein Vater freute sich wie ein Schneekönig. Er zog mich nach der Begrüßung durch meine Mutter ein Stück zur Seite, und wir sprachen über den letzten, gemeinsam erlebten Fall. »Ich habe noch nichts weiteres herausfinden können«, erklärte er mir.
»Weiß Ma davon?«
»Nein, um Himmels willen. Ich habe ihr nichts gesagt. Die hätte mich nicht mehr aus dem Haus gelassen. Sie hat schon Angst um dich, wenn ich noch dazukomme, grämt sie sich zu Tode.«
Das konnte ich mir vorstellen. Meine Mutter hatte sich noch immer nicht mit meinem Job abgefunden. Es war für sie weiterhin unbegreiflich, wie jemand Geister und Dämonen jagen konnte. Sie hätte mich lieber als Nachfolger meines Vaters in dessen Anwaltskanzlei gesehen, aber der Job war mir zu langweilig gewesen, deshalb war ich nach meinem Studium zur Polizei gegangen.
Auch in Schottland hatte der frühe
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