Ewige Schreie
Sommer Einzug gehalten. Die Luft war mild und lau, und meine Eltern hatten das beste aus der Situation gemacht. Man aß und trank draußen.
Vier Mädchen aus dem Dorf bedienten die Gäste. Ein Girl fiel mir besonders auf, ein quirliges schwarzhaariges Persönchen mit Lockenkopffrisur und kirschgroßen Augen. Immer wenn sie mir etwas zu trinken brachte, schenkte sie mir ein Lächeln, daß es mir warm ums Herz wurde.
Ich kannte die Kleine nicht, hörte jedoch, daß sie von den anderen Helen gerufen wurde.
Von den Einwohnern wurde ich ein paarmal auf meinen Job angesprochen. Ich hatte aber keine Lust, davon zu erzählen, so wich ich immer aus. Auch an den Fall, der hier in Lauder gespielt hatte, erinnerte man mich. Es war damals um Melina gegangen, ein psychisch krankes Mädchen, das den kleinen Ort durch schreckliche Morde in Atem gehalten hatte. [1]
Als es bereits auf Mitternacht zuging und die ersten Gäste gegangen waren, setzte er sich zu mir. »Und wie lange hast du vor, zu bleiben, mein Junge?«
Ich schüttelte mir eine Zigarette aus der Packung und hob die Schultern.
»Eigentlich muß ich morgen wieder weg.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage!« Die Stimme klang hinter mir auf, und sie gehörte meiner Mutter. Ungesehen hatte sie sich uns genähert und legte mir ihre Hand auf die Schulter. »Wenn du schon mal kommst, dann soll es auch für länger sein.«
»Aber Mutter, ich muß nach London.«
»Ach, woher. Du hast bestimmt in den letzten Jahren keinen Urlaub gehabt. Nimm dir welchen…«
»Das stimmt schon. Aber daß ich keinen Urlaub machen konnte, hatte seine Gründe. Eben aus diesen Gründen kann ich nicht länger bei euch bleiben, so leid es mir tut.«
»Sag du doch was, Horace!« Mary Sinclair suchte bei meinem Vater Unterstützung.
Der strich mit fünf Fingern durch sein grau gewordenes Haar. »Ich kann das nicht so beurteilen, meine Liebe. Aber wenn ich mich an meinen Job erinnere…«
»Hör auf, ich weiß schon, was kommt. Mit dir war es früher ja ebenso. Niemand hat Rücksicht auf mich genommen. Der Job, die viele Arbeit…« Die Stimme meiner Mutter klang traurig. Ich stellte mein Glas zur Seite, erhob mich und legte einen Arm um die Schultern meiner Mutter.
»Schau mal, Mum, das mußt du verstehen. Ich habe wirklich einen Fulltime-Job. Und Urlaub ist nicht immer drin. Dad hat mit seiner Meinung schon recht.«
»Ich weiß, ihr haltet alle zusammen.«
Mein Vater hob die Schultern. Er wollte damit andeuten, daß Mutter so nicht zu überzeugen war.
Dann lächelte sie plötzlich: »Ist ja schon gut«, sagte sie, drehte sich um und ging zur Frau des Bürgermeisters, die der leckeren Erdbeerbowle zusprach.
»Sie meint es nur gut«, versuchte mein Vater seine Frau zu entschuldigen.
»Das weiß ich ja, Dad, aber du kennst mich.«
»Sicher, John. Wie geht es den anderen?«
Ich berichtete ihm von Suko und den Conollys. Mein Vater freute sich, daß alle gesund waren. Schließlich erkundigte er sich auch nach Jane Collins.
Das gab mir einen Stich. Er merkte dies und wollte das Thema wechseln, doch ich erklärte ihm die genaueren Umstände, was mit Jane Collins geschehen war. Daß in diese Detektivin der Geist des Rippers eingedrungen war, sie zu einer anderen gemacht hatte und daß sie in den Reigen der Oberhexe Wikka aufgenommen worden war.
»Jane eine Hexe?«
»Leider.«
»Mein Gott.« Horace F. Sinclair schlug sich gegen die Stirn. »Das muß man sich einmal vorstellen. Könnte das mit jedem Menschen geschehen, John?«
»Sicher.«
»Auch mit dir?«
»Das will ich nicht hoffen. Zum Glück trage ich das Kreuz. Es schützt mich einigermaßen.«
»Ja, natürlich. Hast du mittlerweile herausgefunden, wo es herstammt und wieso man dich Sohn des Lichts nennt?«
»Nein, noch nicht.«
»Meinst du, daß es nicht langsam Zeit würde?«
»Natürlich. Aber das habe ich nicht zu bestimmen, Dad. Wirklich nicht. Es liegt, wie man so schön sagt, in der Hand des Schicksals, wie mein Kreuz nun reagiert oder nicht.«
»Hast du keinen Verdacht?«
»Schon.«
»Und welchen?«
»Erst einmal allgemein. Das Kreuz muß uralt sein. Ich nehme an, daß es aus den ersten Anfängen unserer Zeitrechnung stammt, als das Christentum noch in der Wiege lag.«
»Ja, das ist möglich. Darauf deutet auch der Begriff Sohn des Lichts hin.«
Überrascht schaute ich meinen Vater an. »Wieso? Weißt du etwas mehr, Dad?«
»Nein, das nicht. Es ist nur eine Vermutung. Hast du schon mal etwas von den Makkabäern
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