Ewiges Verlangen
der Mensch mit geweiteten, ängstlichen, wässrig braunen Augen.
Alexander wölbte eine Augenbraue. »Sie hat dich gebeten, sie loszulassen, oder nicht?«
»Was?«, stotterte er. »Was? Ich habe nicht …«
»Die Frau wollte, dass du sie loslässt«, brüllte Alexander. »Und, hast du auf sie gehört? Bist du ihrer Bitte nachgekommen?«
Tom zitterte wie ein aufgezogenes Spielzeug und starrte Alexander an, und der Blick seiner hervorquellenden Augen huschte von einer gebrandmarkten Wange zur anderen.
Alexander umfasste mit beiden Händen den Hals des Bastards und knurrte: »Sprich, Mensch! Bist du ihrer Bitte nachgekommen?«
»Nein«, krächzte Tom.
»Nein. Du hast ihr Angst eingejagt.« Alexander zog Toms Gesicht nahe an seines. »Du solltest bestraft werden.«
Tom brach in Tränen aus. »Bitte … nein.«
Alexander beugte sich unbeeindruckt vor und schnupperte. Seine Nasenflügel bebten vor Zorn. »Schwachblütig und pisst dir in die Hose. Du solltest froh sein, dass du sie noch nicht getötet hast, Mensch. Sonst würde ich deinem elenden Leben jetzt ein Ende setzen.«
Alexanders Körper begann leicht zu vibrieren, und pfeilartige Schmerzen schossen durch ihn hindurch und ließen ihn zusammenzucken. Er blickte abwärts, auf seine Hände, die den Hals des Menschen umschlossen, und sein Kiefer wurde bei dem Anblick vor seinen Augen starr. Die von der Sonne verursachten Verbrennungen an seinen Handgelenken und Unterarmen verblassten, schrumpften zu bleibenden Tätowierungen zusammen, zu den Malen, die ihn als umgewandelten Mann kennzeichneten, genauso wie diejenigen auf seinem Gesicht ihn als Abkömmling des Breeding Male auswiesen.
Wie war das passiert? Ein reinblütiger Paven wurde erst der Umwandlung unterzogen, wenn er dreihundert Jahre alt war. Ihm blieb, verdammt noch mal, noch ein ganzes Jahrhundert! Seine Finger gruben sich in die Haut des menschlichen Halses. Noch vor ein paar Tagen war er ein Wesen der Nacht und des Tages gewesen, und sein Leben hatte ihm allein gehört. Dann hatte der Hunger zugeschlagen, gefolgt von der Sonne …
Ein Laut, in Wahrheit kaum mehr als ein Seufzen, schwebte zu Alexander hoch. Die Frau. Sie regte sich. Alexander blickte hinab, und sein Zorn ließ ein wenig nach. Die Menschenfrau, die seine Gedanken gehört hatte, die sein Leben gerettet hatte, wand sich nun nur wenige Meter entfernt vorsichtig auf dem Holzboden, ihr herzförmiges Gesicht vor Schmerz verzerrt.
Alexander änderte seinen Zugriff auf den Menschen, eine Hand glitt unter dessen Arm, aber die andere verweilte an seiner Kehle. Er drückte fest zu, aber nicht zu fest. Das Stück Dreck zu töten wäre gewiss eine angemessene Strafe, aber Alexander wusste, dass solch kurzfristig aufbrandender Zorn zu großen Schwierigkeiten führen konnte – Schwierigkeiten, die er und seine Brüder unbedingt vermeiden wollten … das heißt, die er hatte vermeiden wollen, bis ihn der Hunger vor der Umwandlung befallen hatte.
Er ließ den Mann los, und der hagere Mensch wurde ohnmächtig und glitt zu Boden, wobei sein langer Körper mit einem dumpfen Schlag auf dem Holz auftraf.
Alexander trat zu der Frau und ließ sich neben ihr auf ein Knie nieder. Sie atmete ruhig, aber die rote Quetschung an ihrer Wange wurde bereits dunkler und schwoll an. Zorn durchfuhr ihn wie die Nachbeben eines Erdbebens, und seine Hände und Fänge vibrierten vor Verlangen, den Menschen, der ohnmächtig hinter ihm lag, zu zerfleischen.
Die Frau regte sich erneut, ihre vollen Lippen bewegten sich, die Stirn vor Anspannung gefurcht. Sie hatte bereits wieder etwas Farbe angenommen, aber sie brauchte Ruhe und einen Arzt. Bis dahin würde sich Alexander so gut wie möglich um sie kümmern. Jeder reinblütige Paven erhielt zusätzlich zu den neuen Kräften, die Umgewandelte besaßen, individuelle Begabungen. Alexander begriff seine ebenso, wie er seinen Namen begriff. Er strich der Frau das lange dunkle Haar zurück und legte zwei Finger an ihre Schläfe, atmete ruhig in ihr Blut und beobachtete dann, wie sich ihr Körper entspannte. Als er den Eindruck hatte, dass sie sanft schlief, griff er in der Tasche seiner Jacke nach seinem Handy. Verdammt. Es war nicht da. Er sah sich in dem Raum um, sein Blick schneller als noch vor wenigen Stunden. Er sah das Handy nahe dem Eingang zur Küche liegen. Er griff in die Richtung und murmelte ein knappes »Komm«. Das Handy erbebte auf dem Boden und flog dann durch den Raum in Alexanders wartende Hand. Er gab die
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