Ewiges Verlangen
schwang leichte Ehrfurcht mit.
»Was ist mit dem Mann?«, fragte Lucian.
»Er hat auf sie gewartet. Der kleine Mistkerl hat sie angegriffen.« Alexander betrachtete die Quetschung im Gesicht der friedlich schlafenden Frau. Erneut knurrte er leise. »Ich hätte ihn aussaugen sollen.«
»Gut, dass du es nicht getan hast«, bemerkte Lucian angespannt. »Das hätte uns in weitere Probleme gebracht, die wir nicht brauchen können.«
Nicholas spürte erneute Feindseligkeit in der Luft und stellte rasch eine praktische Frage. »Was willst du mit dem Mann machen?«
Alexander blieb weiterhin in der Nähe der Frau und sah seinen Bruder an. »Kümmere du dich um ihn, Nicholas. Sorge dafür, dass er niemals wieder hierher zurückkommt. Lass ihn vergessen, dass sie auch nur existiert.«
Nicholas nickte rasch. »Einverstanden. Und was ist mit ihr?«
»Ich werde mich um sie kümmern«, bot Lucian mit schalkhaftem Grinsen an.
»Nein!«, knurrte Alexander mit hochgezogener Oberlippe und gebleckten Fängen. »Niemand rührt sie an.«
»Bist du sicher, dass der Hunger nachgelassen hat, Alex?«, fragte Lucian mit breiter werdendem Grinsen. »Du verhältst dich wie ein Tier mit seiner Beute. Vielleicht hat sie ja das gesuchte Blut?«
Alexander starrte Lucian mit bebenden Nasenflügeln an, bereit, entweder mit Worten oder mit Fäusten zuzuschlagen.
»Ruhig, Jungs«, sagte Nicholas trocken und trat zwischen die beiden. Er sah Alexander an und sagte leise: » Duro .«
Alexander registrierte das liebevolle Wort für »Bruder« kaum. Blut rauschte in seinen Ohren, während er sich zu kontrollieren versuchte. Dies war nicht der nagende Schmerz des Hungers. Dies war etwas völlig anderes – eine kaum zu zügelnde Wildheit, wenn es um die Frau ging, die ihm das Leben gerettet hatte. Wie hatte er auch nur daran denken können, seinen Bruder zu schlagen? Den Bruder, den er über ein Jahrhundert lang beschützt und um den er sich gekümmert hatte?
Nicholas unterbrach seine Gedanken. »Wir müssen schnell handeln, Alexander. Wo willst du sie hinbringen?«
»Nach Hause.«
»Ist das nicht ihr Apartment?«
»In unser Zuhause«, erklärte Alexander. Er war sich bewusst, dass diese Entscheidung unklug war, aber er konnte nicht anders.
Nicholas und Lucian sahen ihn gute dreißig Sekunden lang an. Schließlich schüttelte Lucian den Kopf und murmelte: »Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Sie ist bewusstlos, Alexander«, sagte Nicholas, versuchte ihm mit Vernunftgründen beizukommen. »Sie braucht einen Arzt.«
»Meinetwegen bleibt sie bewusstlos. Ich habe sie sediert. Ihr Geist ist geschützt, unversehrt, und – nur fürs Protokoll – wir haben einen Arzt.«
»Sie braucht einen Arzt, der Menschen behandelt«, erwiderte Lucian scharf.
Alexander trat zu ihm, bis er dem Vampir mit den weißblonden Haaren dicht gegenüberstand. »Sie kommt auf jeden Fall mit mir, kleiner Bruder. Wenn du also ein Problem damit hast, solltest du besser schleunigst darüber hinwegkommen.«
Lucian hielt mit bebenden Nasenflügeln Stand. »Wir haben eine Vereinbarung, Bruder. Keine Menschen in unserem Zuhause.«
»Vergiss die Vereinbarung«, knurrte Alexander. »Es gibt da einen Unterschied.«
»Inwiefern?«
»Sie gehört mir!«
»Sturer Kerl.« Lucian wich zurück und gab Nicholas ein Zeichen. »Rede du mit ihm.«
Nicholas kämpfte auf dem Schlachtfeld wie ein Löwe, aber bei Geschäftsangelegenheiten und Familienstreitigkeiten konnte man immer darauf vertrauen, dass er halbwegs ruhig und vernünftig blieb. »Alexander, du weißt, was wir riskieren, wenn sie …«
»Sie hat mir das Leben gerettet, Nicky!«, brüllte Alexander ebenso leidenschaftlich wie erbittert. »Ohne sie wäre ich nur noch Staub auf euren Stiefeln.«
Die Worte hingen noch in der Luft, bis Nicholas nach mehreren Augenblicken des Schweigens nickte und sagte: »In Ordnung. Sie ist für den Moment in unserem Haus willkommen.«
Alexanders Blick schweifte zu Lucian. »Was ist mit dir?«
Lucian sah Alexander mit zusammengebissenen Zähnen an. »Gilt meine Meinung hier überhaupt noch?« Sie hatten ein Jahrhundert lang Seite an Seite gekämpft, hatten einander geholfen, einer aus Albträumen bestehenden Kindheit zu entfliehen, den Mut zu finden, die Rasse abzulehnen, die sie gefangen hielt, und hatten einen unerschütterlichen Bund zwischen sich begründet. Tief im Inneren waren sie nicht nur Brüder – sie waren beste Freunde. Schließlich nickte Lucian und knurrte: »Gut«, aber
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