Ewiges Verlangen
Nummer ein und presste den Hörer ans Ohr.
»Alex?« Nicholas’ Stimme klang panisch. »Wo bist du?«
»Ich brauche zwei Wagen zur 340 West 11th am Hudson. Gartenapartment.«
»Warum?« fragte Nicholas barsch.
»Ich habe hier zwei bewusstlose Menschen und bin ohne Schutz.«
»Ohne Schutz?« Benommenes Schweigen vibrierte durch die Leitung. »Was hast du getan?«
»Ohne Sonnenschutz«, sagte Alexander ungeduldig.
»Was?«
»Ich bin der Umwandlung unterzogen worden.« Die Worte schmeckten bitter auf Alexanders Zunge.
Erneutes Schweigen. Dann äußerte Nicholas nur ein knappes »Unmöglich«.
Ja , sann Alexander, während die Verbrennungen an seinen Händen und im Gesicht sich wieder schmerzhaft bemerkbar machten. »Komm sofort her. Ich muss herausfinden, was mit mir los ist.«
Nicholas und Lucian traten zehn Minuten später durch die Tür. Beide waren über einen Meter neunzig groß, beide stark und todbringend. Sie betrachteten prüfend das Ein-Zimmer-Apartment, mit der gleichen militärischen Wachsamkeit, auf die sie sich bereits vor über einem Jahrhundert im Kampf verlassen hatten.
»Verdammt«, sagte Lucian, dessen ernste, sandfarbene Augen erst den Mann auf dem Boden, dann die Frau auf der Couch betrachteten. »Du hast es getan.«
»Was getan?«, fauchte Alexander, der neben der Frau Wache stand und ihre körperliche Verfassung beobachtete.
Lucian warf den schwarzen Umhang, den er als Behelfs-Sonnenschutz für Alexander mitgebracht hatte, über eine Couchlehne. »Sie beide ausgesaugt.«
»Blödsinn«, knurrte Alexander. »Ich habe die Frau nicht angerührt.«
»Und der Mann?«, fragte Nicholas und trat mit raubtierhafter Geste auf Alexander zu.
»Er ist scheinbar ins Koma gefallen«, sagte Alexander.
Als Nicholas neben seinen ältesten Bruder trat, streifte sein Blick dessen Gesicht und Unterarme. »Hast du dich selbst gesehen?«
»Nein«, sagte Alexander zwischen zusammengebissenen Zähnen.
»Es sieht nicht gut aus.«
»Dann hat sich ja nicht viel verändert, oder?«
Ein rasches Grinsen umspielte Nicholas’ Lippen, so dass die Spitzen seiner Fänge sichtbar wurden, aber es verschwand im Handumdrehen wieder. »Du trägst die Kennzeichnungen unseres Vaters.«
Die in seine Wangen eingebrannten Kreise besagten: »Ich bin ein Abkömmling des Breeding Male .« Alexander nickte. »Ja.«
»Und deiner wahren Gefährtin«, sagte Nicholas und betrachtete die schlüsselförmigen Male innerhalb der Kreise. »Sind das gute oder schlechte Neuigkeiten?«
Alexander schnaubte. »Du meinst, ob ich erleichtert bin, dass ich nicht die Gene unseres Vaters in mir trage, die ihn dazu getrieben haben, alle Frauen zu vögeln und zu schwängern, die ihm über den Weg liefen?« Er hörte Lucian hinter sich belustigt schnauben. »Ja.« Er war froh darüber, denn er hatte dem Tag seiner Umwandlung und der Frage, welche Zukunft ihm zugedacht war, sehr besorgt entgegengesehen. Aber waren dies gute Neuigkeiten? Statt des leeren Kreises eines Ahnen trug sein Kreis das Kennzeichen einer wahren Gefährtin in sich, und sein Körper würde sich, ohne sein Einverständnis, bald auf die Jagd nach ihr begeben.
»Die Umwandlung erklärt den extremen Hunger«, sagte Nicholas. »Ist das jetzt vorbei?«
»Es ist anders«, sagte Alexander. »Ich habe mich jetzt besser im Griff und begehre nicht mehr jedes beliebige Blut.«
Nicholas’ tintenschwarze Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen. »Was willst du damit sagen? Du musst eine bestimmte Ader wählen? Es genügt nicht einfach jede beliebige Frau?«
»Der Hunger ist geblieben, aber auch er hat sich verändert, und ich bin nicht ganz sicher, wie ich ihn stillen kann.« Seine Nasenflügel bebten. »Blut ist nur noch die Vorspeise.«
»Nicht mehr der Hauptgang.«
Alexander schwieg.
»Klingt großartig. Können wir dieses Frage-und-Antwort-Spiel später beenden?«, fragte Lucian ungeduldig. Er schaute zu Alexander und zog seine helle Augenbraue in die Höhe. »Willst du uns erzählen, was hier geschehen ist?«
Alexander knurrte leise. »Pass auf, dass du mich heute nicht reizt, kleiner Bruder. Ich bin nicht gerade in der besten Verfassung.« Er hob den Kopf, atmete tief ein und versuchte, sich von der unnötigen Aggression zu befreien, die seinen Körper durchschoss. »Die Sonne ging auf, und ich brauchte Schutz.« Alexander blickte zu der Frau und spürte, wie eine tiefe Zärtlichkeit in ihm aufstieg. »Sie hat ihn mir gewährt. Ohne Fragen zu stellen.« In seiner Stimme
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