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Ewiges Verlangen

Ewiges Verlangen

Titel: Ewiges Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wright
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weißes Laken bis zu den Knien hinuntergeschoben und ohne Fesseln an den Armen, seufzte sie erleichtert auf.
    Sie betrachtete ihn einige Augenblicke lang, während der Lichtstrahl vom Flur sein blasses Gesicht beleuchtete. Ihr kleiner Bruder war nun bereits siebenundzwanzig Jahre alt, aber er sah für Sara immer noch wie der Junge aus, der sie ums Haus gejagt und vorgegeben hatte, ein hungriger, Schwestern fressender Dinosaurier zu sein. Jetzt war er ebenso ein Gefangener des Krankenhauses wie seines Geistes.
    Sara trat zum Bett, setzte sich neben ihn und legte ihre vollkommen glatte Hand auf eine seiner vom Feuer verunstalteten Hände, versengt von dem Feuer, das sie verursacht hatte – das Feuer, das nicht nur ihre Familie, sondern auch die geistige und körperliche Gesundheit ihres Bruders zerstört hatte, in dem Sommer, als er acht Jahre alt geworden war.
    Das Feuer, vor dem sie davongelaufen und dem sie unbeschadet entkommen war.
    Sie musste jedes Quäntchen ihrer vorhandenen Selbstkontrolle aufbringen, um sich nicht neben ihn zu legen und sich an seiner Schulter auszuweinen. Aber sie verdiente seine Fürsorge nicht, nicht solange er sie ihr nicht selbst anbieten konnte. Denn die Wahrheit war, dass sie, gleichgültig, wie hart sie daran arbeitete, ihre Schuld erst dann wiedergutgemacht hätte, wenn sie ihren Bruder ins Leben zurückgeholt hatte.

2
    Alexander Roman bog im indigofarbenen Licht der Vordämmerung in die Hudson Street ein, hielt vor Hausnummer 11 und schnupperte wie das Tier, zu dem er geworden war, in der herben Novemberluft. Zu viele Auswahlmöglichkeiten, dachte er, während seine Fänge wuchsen, und zitterte, als der Hunger sich in seinem Bauch regte. Er hatte es auf ihre Art versucht, auf die Art seiner Brüder. Pünktlich zu jeder Stunde ließen sie ihn sich an den Vorräten bei RB Beef Company nähren, eines der vielen Unternehmen, die er und seine Brüder in der Stadt betrieben. Aber bei Alexander war das Verlangen unglaublich stark, eine Frau zu finden, egal ob Mensch oder Vampir, und seine Fänge in den lieblichen Fleck unter ihren Brüsten zu versenken und in großen Schlucken so lange zu trinken, bis ihr Herz stehenblieb.
    Letztendlich hatte sich die DNA seines Vaters durchgesetzt, zweihundert Jahre, nachdem sie in den Leib seiner Mutter versenkt worden war. War dies – der Breeding Male – die Art männlicher Reinblütiger, mit dem seine Mutter hatte schlafen müssen, um ihn zu zeugen? Ein tollwütiges Scheusal auf einer Mission, das in sie hineinstieß? Wenn dem so war, konnte Alexander ihre unwillkürliche Verachtung für ihren eigenen Sohn nur allzu gut verstehen.
    Feine Schneeflocken fielen rings um ihn herab, weiß und rein, bis sie auf dem Boden auftrafen. Der Wind frischte auf, und Alexander legte den Kopf auf die Seite, als der Geruch nach Blut in seine Nase drang. Aaaah … Es war eine Menschenfrau, eine Delikatesse, leichte Beute, etwas, das er sich selten zu probieren erlaubt hatte, bis der Hunger einsetzte. Jetzt beherrschte ihn der Hunger, und er lief los, in vollem Tempo die verschneite Straße hinab, die Fänge gebleckt, während ihm das Wasser im Munde zusammenlief.
    Dann ließ ihn, einen halben Block weiter, etwas abrupt innehalten. Er stand regungslos auf dem Bürgersteig und keuchte, und ein seltsam kribbelndes Gefühl befiel seine Fingerspitzen. Er schüttelte die Hände, um es loszuwerden, und lief dann weiter. Aber Sekunden später wurde er mitten im Lauf von einer Schmerzattacke getroffen, die ihm augenblicklich den Atem nahm.
    Was zum Teufel …?
    Sein Körper zitterte und erhitzte sich, während der Schmerz mit Blitzgeschwindigkeit seine Handgelenke, seine Unterarme, den Bizeps und die Schultern hinaufschoss. Er griff instinktiv nach etwas, um sich festzuhalten. Seine Hand umklammerte eine dicke Metallstange, und er presste seinen Körper gegen die harte Kühle, als wäre sie seine Geliebte.
    Was, zum Teufel, geht hier vor?
    Zuerst Hunger, nun Schmerz.
    Es pulsierte in seinem Kopf wie die Tonbeugungen eines Akkordeons, und er spürte, wie seine Pupillen schrumpften, bis er nur noch Schatten erkannte. In seiner Brust brach aufgrund der jäh drohenden Blindheit Panik aus.
    Nach Hause. Er sollte, verdammt noch mal, jetzt nach Hause gehen!
    Hinter ihm erklang das stetige, vertraute Brummen des Lieferwagens, der immer um diese Zeit vorbeikam. Alexander hörte das katzenartige Kreischen der Bremsen und eine männliche Stimme rufen: »Sieh dir dieses Arschloch

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