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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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seine Kraft so enorm war, warum hatte er die Abstimmung nicht verhindert und das Hexamon gezwungen, nach seinem Willen zu handeln? Selbst Korzenowski gab Mirsky wenig zu denken. Es war zu viel zu tun, es gab zu viele äußere und innere Zwänge, und die inneren wurden jeden Tag stärker.
    Der Ingenieur begab sich von einem Ende des Bohrlochs zu anderen, eingehüllt in seine rote, geschlossene, sackartige Robe wie ein übergroßes Kleinkind.
    Die langen schlanken Gestalten dreier Sprungschiffe, zwei Tage zuvor von Axis Thoreau hergeschafft, fädelten sich durch die Bohrlöcher von Thistledown und hingen in sanft glühenden Traktionswiegen – riesige dunkle Spindeln längs der gewohnten Strecke.
    Es waren voll bewaffnete Schiffe, die zur Vorsicht herbeigebracht waren. Sie konnten auch zur Erkundung des Weges dienen.
    Korzenowski blickte auf das zweite zylindrische Tal der sechsten Kammer hinunter und empfand eine Sehnsucht, die er weder analysieren noch unterdrücken konnte. Das Fundament, auf dem alle seine versammelten Partiale jetzt integriert waren, färbte ihn jetzt durch und durch. Er protestierte nicht. Irgend etwas in ihm stimmte nicht. Aber es verhinderte nicht seine Arbeit, sondern machte ihn höchstens noch brillanter.
     
    Für Olmy waren Träume mit Implantaten nie gleich gewesen, und sie hatten sich noch radikaler verändert, seit der Jart übernommen hatte.
    Ein durch Implantate unterstützter Homorph brauchte keinen Schlaf. Die Verarbeitung von Erfahrungen und Erinnerungen – und die Erholung und das Spiel eines überarbeiteten Unterbewußtseins – fanden während der wachen Stunden Olmys statt. Diese Aktivitäten sollten dazu dienen, in den Implantaten Mentalitäten zu suggerieren. Im Grunde konnte Olmys bewußtes Bemühen alle Stunden weitergehen, während eine parallele Mentalität ›schlief‹ und träumte. Dann konnte die Mentalität den Inhalt von Olmys Unterbewußtsein verfeinern und filtern.
    Dieser Prozeß war im Laufe von Jahrhunderten vervollkommnet worden.
    Olmys Träume waren intensiv, so real wie Erlebnisse im Wachsein, wie das Leben in einem anderen Universum mit unterschiedlichen (und wechselnden) Regeln. Aber er trat an sie nicht heran, wenn er es nicht wünschte. Sie hatten ihren Zweck erfüllt, ohne unbedingt bemerkt zu werden. Schließlich, nach fünf oder sechs Jahren, wurden die Inhalte der Träume gereinigt oder komprimiert in seinem persönlichen Implantat und dann entweder in ein äußeres persönliches Gedächtnis gespeichert oder getilgt. Olmy neigte dazu, solche Inhalte zu tilgen. Er liebte es nicht, seine eigenen Träume zu erleben und tat das auch nur selten, sofern er nicht den Eindruck hatte, daß sie die Lösung einer drängenden persönlichen Schwierigkeit bargen.
    Jetzt aber beanspruchte die Mentalität des Jarts allen verfügbaren Platz in Olmys Implantaten, einschließlich seines persönlichen Implantats. Olmy hatte, selbst wenn er die Kontrolle gehabt hatte, unterbewußtes Verarbeiten seinem natürlichen Zentrum zuweisen müssen, seiner primären Mentalität.
    Er hatte die Wahl gehabt, entweder natürlich zu schlafen und zu träumen, oder Wacherlebnisse auszufiltern. Vor dem Sieg des Jarts hatte er das letztere gewählt. Träumen im Wachzustand stellte nur wenige Probleme. Er war geistig genügend diszipliniert, um nicht abgelenkt zu werden.
    Aber jetzt kontrollierte und manipulierte der Jart nicht nur die Implantate, sondern auch seine primären bewußten und unterbewußten Verhaltensweisen – jene, die sich in seinem organischen Gehirn abspielten. Olmys bewußtes primäres Selbst wurde oft abrupt und ohne Vorwarnung in die Traumwelt abgeschoben.
    Es war ein Gebiet voller Ungeheuer. Das Unterbewußtsein, all jene Agentien und Routinen, die automatische Reaktionen auslösten, war in einem schrecklichen Zustand. Olmy konnte bewußt ruhig sein; aber sein fundamentales Ich war verschreckt, hilflos und in Panik.
    Oft, wenn der Jart nicht seine unmittelbare Aufmerksamkeit brauchte, war er gezwungen, durch die Traumlandschaft zu wandern wie eine Person in einem schlechten Film.
    Gezwungen, sich seinen Träumen direkt zu stellen, fand Olmy Anzeichen von Charaktermängeln, die seine ohnehin niedrige Moral noch weiter untergruben. (Warum hatte er diese Mängel nicht vor Jahrhunderten mit Talsit oder anderen Therapien bekämpft? Vielleicht hätte er nicht die katastrophale Entscheidung getroffen, sich den Jart einzuverleiben, wenn er voll bei Verstand gewesen wäre…)

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