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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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weißer Linien. Ram Kikura rief nach einem Bild von der Außenseite des Bezirks und fügte hinzu: »Wo ist Thistledown? Zeig mir diesen Oktanten!«
    Ein strahlend blauer Kreis erschien mitten in ihrem Wohnzimmer, bezaubernd und sehr verwirrend. Er blockierte nicht den Schleier von Sternen, der jenseits der Erde zu sehen war. »Thistledown!« befahl sie. »Zeig mir, wo sich Thistledown befindet!« Eine projizierte weiße Linie schlängelte sich um das bohnengroße weiße Objekt und blinkte. Das Leuchten kam nicht von Thistledown und war auch nicht auf die nähere Umgebung des Sterns beschränkt. Es schien aus dem gesamten Raum, aus allen Richtungen zu kommen.
    Das bohnengroße Objekt wurde beim Zuschauen heller. »Vergrößern!« verlangte sie. Durch die ganze Axis Euklid wußte sie von zehntausenden Bürgern, die jetzt dasselbe Bild verlangten. Das Bild ihres privaten Projektors flimmerte gelegentlich, wenn die Signalverstärker und Zerhacker des Bezirks hereindrängten.
    Thistledown erschien jetzt vergrößert und mit scharfem Detail, umgeben von einer schwachen Corona aus noch hellerem Blau. Der Nordpol zeigte von der Erde und von allen Bezirken weg. Aber der Südpol glühte jetzt selbst. Konzentrische, sich erweiternde Ringe bildeten sich um den Südpol. Ihnen folgten noch hellere Ringe und dann kontinuierliche Lichthöfe.
    Die Maschinen des Beckmann-Antriebs setzten ein. Dessen war sie sich sicher. Thistledown hatte diese Antriebe seit der Trennung nicht mehr benutzt. Jetzt stieß sich das Asteroidensternschiff selbst von der Erde und den Bezirken fort.
    Was vorher nur eine intellektuelle Spekulation gewesen war, wurde nun zur Realität. Thistledown bereitete sich auf seinen Tod vor.
    Irgendwie wußte sie, daß Olmy noch an Bord war, oder Thistledown sehr nahe – vielleicht im Weg selbst.
    Ram Kikura hatte wie Olmy nicht die Fähigkeit zu weinen. Sie saß in angespanntem Schweigen da und sah zu, wie die Sensoren von Euklid dem Thistledown folgten. Wie lange?
    Das Leuchten der Beckmann-Antriebe verstärkte sich, bis das Display wegen der Helligkeit reguliert werden mußte. Die Fahne aus zerstörter Materie, die vom Südpolkrater ausging, bildete einen langen, kräftigen Pinselstrich vor dem unnatürlichen Blau. Die Farben und Verhältnisse waren wider alle Vernunft. Sie fühlte sich, als ob sie ein künstliches Schauspiel betrachtete, das etwas Entferntes und Schönes, aber kaum Plausibles darstellte.
    Es schmerzt, dachte sie. Ihre Implantate waren ständig damit beschäftigt, die emotionale Überlastung zu behandeln. Ich weiß, daß er hier ist. Und das ist mein Heim, wo ich geboren wurde, aufgewachsen bin und gearbeitet habe – innerhalb des Weges.
    Sie konnte es kaum ertragen zuzusehen, bewegte sich aber nicht.
    Soviel war sie ihrer Vergangenheit schuldig, daß sie dasaß und sie sterben sah.

 
76. KAPITEL

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Erde
     
    Der ätherische Nachthimmel brachte Leute zu Hunderttausenden ins Freie. In Melbourne gab es religiöse Raserei und Krawalle. Karen hörte die Geräusche wie eine entfernt brausende Welle vom Balkon ihres Hotelzimmers. Sie war angewiesen worden, eine Woche frei zu nehmen nach ihrer Episode im Evakuiertenlager. Ein Geschenk, das sie nicht recht würdigte, da es ihr zu viel Zeit zum Nachdenken ließ.
    Sie blickte in Ruhe auf das Schauspiel hinunter. Wunder hatte es zu ihren Lebzeiten massenhaft gegeben. Nach den Ereignissen der letzten zwei Wochen erwartete sie sie jetzt beinahe. Sie hatte eine vage Vorstellung, daß dieses Leuchten mit Thistledown zu tun hatte; aber das Asteroidensternschiff war nicht zu sehen.
    Aber um Mitternacht erblickte sie die violette Feder der Beckmann-Antriebe, die vom nordöstlichen Horizont wie ein Scheinwerferstrahl aufstiegen. Die Erscheinung verblaßte drei Handbreiten über dem Horizont, was bedeutete, daß sie riesengroß war – Zehntausende Kilometer lang. Sie wußte nicht, was das bedeutete, sie meinte, es könnte der Todesschimmer von Thistledown sein. Aber der würde erst noch kommen.
    Sie saß in einem Klappstuhl auf dem Balkon, gegen die nächtliche Kühle in einen Sweater gehüllt, und blickte über die hell erleuchtete Skyline von Melbourne. Sie hielt einen irdenen Becher fest und erschauerte leicht, nicht eigentlich wegen der Kälte, sondern weil sie zu viel Kaffee getrunken hatte.
    Sie wußte, daß sie ein Wrack war. Sie räumte ein, daß sie sich eines Tages vielleicht wieder aufbauen könnte, ihre Erholung durchführen und vielleicht ein ganz

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