Ewigkeit
Zeit gehabt, die fünfte Kammer zu besuchen, wo es häufig donnerte. Mar Kellen hob zum Gruß zwei altmodische Regenschirme hoch. Er projizierte auf Olmy eine Reihe biographischer Visualisationen mit Untersignalen zur Mitteilung von Aufrichtigkeit und wo es höflich sein könnte oder nicht, weitere Fragen zu stellen. Von Erkundigungen schien allgemein abgeraten zu werden. Olmy tat desgleichen, allerdings mit mehr Doppeldeutigkeit und Kürze. Die weitere Unterhaltung fand sowohl durch Sprache wie visuell statt.
»Ser Olmy, ich habe deine Karriere verfolgt, soweit sie öffentlich bekannt wurde. Du bist ein berühmter Bursche und ein Kredit für die Naderiten.«
»Vielen Dank! Ich muß leider sagen, daß ich deine Spur verloren habe, Ser Mar Kellen.«
»Das freut mich zu hören. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, soweit möglich im Dunkel zu bleiben, ohne in das Gedächtnis der Stadt zu gehen und ein Schurke zu werden.« Er zeigte ein Bild von sich als freigeistiger Schurke, nur roh skizziert, welches andeutete, daß er nicht schrecklich erfolgreich sein würde. Sie lachten beide, obwohl Olmys Humor etwas gezwungen war.
»Ich hoffe, du hast nicht allzuviel über mich erfahren«, konterte Olmy.
»Nein. Deine Karriere war auch dunkel. Aber Teile davon sind Geschichte geworden. Und ich habe, vielleicht unhöflicherweise, von dem gehört, was dich jetzt interessiert.«
»Oh?«
»Du scheinst zu glauben, daß wir bald mit nichtmenschlichen Wesen konfrontiert sein werden. Vielleicht sogar Jarts.«
Olmy sagte nichts und zwang sich zu einem verkrampften Lächeln. Seine privaten Nachforschungen waren anscheinend überraschend bekannt geworden, zumindest für jene, die ein Interesse daran hatten, es zu wissen. Mar Kellens Heimlichtuerei wurde verständlicher. Dieser Mann war keine Animation, sondern ein physischer Schurke. Olmy visualisierte einen gelben Halbkreis als Zeichen für Interesse und volle Aufmerksamkeit.
»Ich bin auf etwas gestoßen, das du nützlich finden könntest. Ein Überbleibsel aus vergangenen Jahrhunderten. Eher wie das Ingenieur-Archiv.«
»Hier?« fragte Olmy.
Der alte Krieger nickte feierlich. »Haben wir eine Übereinkunft, solltest du interessiert sein? Ich versichere dir, daß das der Fall sein wird.«
»Ich bin kein reicher Mann. Auch nicht einmal besonders einflußreich.«
»Ich verstehe, Ser Olmy. Aber du hast immer noch die Unterstützung des Hexamons. Du könntest mir alles besorgen, was ich in Form von Zugang und Privilegien brauche, da ich nicht auf irdisches Gold versessen bin.«
Olmy prüfte den Mann und analysierte genau seinen Stil der Visualisation. Mar Kellen war aufrichtig und bluffte nicht, soweit Olmy erkennen konnte.
Olmy sagte: »Ich lebe im Ruhestand. Mein Einfluß ist keineswegs so groß wie früher. Innerhalb der Grenzen meines gegenwärtigen Status…«
»Dieser Status genügt, um meinen Bedarf zu decken.«
»Falls du wirklich etwas hast, das ich gebrauchen kann – einverstanden.«
Mar Kellen lächelte sofort breit und tückisch. »Einverstanden. Komm mit!« Er gab Olmy einen Schirm und zeigte, wie man ihn aufspannte. »Das hat meiner Beni gehört. Du wirst es brauchen. Es schützt unsere müden alten Knochen.«
Olmy hielt den Schirm über den Kopf und folgte Mar Kellen auf einem schmalen Weg, fort von der Station. Der Weg war in einen Felshang eingeschnitten und wand sich durch eine Schlucht über einem ständigen Sturzbach. Hier drang Röhrenlicht kaum durch Wolken und Regen durch. Die Landschaft verlor sich in einem Schatten, der fast so tief war wie eine Nacht auf der Erde. Mar Kellen brachte eine Leuchte zum Vorschein und zeigte Olmy den Weg eine steile Strecke hinauf. Der Lichtstrahl erfaßte ein Loch im Gestein. »Hinter diesem Eingang ist es warm und hell. Komm! Nur noch wenige Minuten.« Sie waren schon eine halbe Stunde lang aufgestiegen.
»Ich habe dies gefunden, als ich nach Rohstoffen für das Wiederbesiedlungsprojekt von Thistledown suchte«, sagte Mar Kellen. »Eine Routinearbeit für jemanden, der nichts weiter vorhat. Das war aus allen Rohstoffkarten getilgt worden bis auf eine, und das muß ein Versehen gewesen sein… Es schien nicht wichtig für das Projekt zu sein. Darum habe ich es niemandem gesagt. Aber ich erwähnte es gegenüber meiner Beni, und sie – sie war meine Gefährtin«, fügte er rasch vertraulich hinzu, während er über die Schulter nach unten Olmy ansah. »Nur dreißig. Geboren nach der Trennung. Stell dir vor, da findet
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