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Ex en Provence

Ex en Provence

Titel: Ex en Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Ahlswede
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Offensichtlich war vorher auch den französischen Eltern-Profis nicht bekannt, welches Kind in welche Klasse kommt. Jubelrufe sind genauso zu vernehmen wie unterdrückte Schluchzer jener Kinder, die von ihren Freunden getrennt wurden.
    Wenigstens dieses Problem habe ich jetzt gerade nicht. Von ihrem Berliner Kumpel Konrad und ihrer Freundin Johanna musste sich Jule ja schon in Berlin verabschieden. Doch dann ist plötzlich Schluss mit dem Zuspruch der Franzosen: Noch einmal drücken sie ihre Brut an sich, dann schubsen sie sie an den am Eingang postierten Lehrerinnen vorbei ins Klassenzimmer. Noch ein allerletztes Mal wird geschnäuzt und gewunken, dann setzen sich die Kinder wie ferngesteuert an die in Parallelreihen angeordneten Tische und die Erwachsenen geschäftig in Richtung Ausgang in Bewegung.
    Das neue Jahr hat begonnen. Allerdings nur für die Franzosen. Ich bleibe nämlich mit Jule zurück. Nach dem jüngsten Tauwetter mit Madame Croizet herrscht bei meiner Tochter jetzt wieder »Ice Age«. Kein Wort kommt über ihre Lippen. Ihre Hände hat sie tief in ihren Jeans-Shorts verborgen – nicht die geringste Chance, sie an die Hand zu nehmen und in die Klasse zu begleiten. Auch das gute Zureden der Lehrerin – leider auch für mich ziemlich unverständlich – bewirkt natürlich rein gar nichts.
    Jule streikt!
    »Jule, komm. Sieh mal, die Lehrerin scheint doch wirklich sehr nett zu sein.« Ich lächele die junge Dame höflich an.
    Jule mustert die Lehrerin. Immerhin. Aber dann legt sie ihre Stirn in tiefe Zornesfalten, schiebt ihre Unterlippe hervor und grummelt: »Versteh abba nix, was die sagt.«
    Ich auch nicht so richtig. Kein Grund zur Sorge.
    »Natürlich nicht. Ist ja klar, dass du noch gar nicht richtig Französisch kannst. Deshalb musst du ja auch in die Schule gehen, damit du …«
    »Abba, abba, ich will nich in die Schule. Versteh ja eh nix.«
    Jules Schachzug überfordert mich völlig. Außer Betteln fällt mir nichts ein – in der Regel die schlechteste Strategie überhaupt, wie seit Super-Nanny ja nun wirklich jeder weiß.
    Sch… auf Super-Nanny!
    »Jule«, flehe ich meine Tochter an, »sieh mal, in der Schule kannst du auch …«
    Doch Jule hört mir jetzt gar nicht mehr zu. Ihr Blick ist auf ein Mädchen gerichtet, das mit ihren langen blonden Locken und ihrem rosa Bolero-Jäckchen über dem weißen Spitzenkleidchen nichts Gutes verheißt. Gar nichts Gutes, da Jule für dieses lebendige Himbeer-Sahnetörtchen nichts als Geringschätzung übrig haben dürfte. Also wird sie das – wie ich finde – selbst für den ersten Schultag doch etwas extrem ausgefallene Outfit sicher gleich als ein neues Argument dafür benutzen, dass sie auf gar keinen Fall in diese Schule gehen kann. Niemals.
    »Guck ma, Mama, da!« Jule zeigt jetzt – ganz kindliche Etikette – mit dem Finger direkt auf das Mädchen, das beim Casting wohl souverän jede Prinzessinnen-Rolle ergattern würde.
    »Ja, mein Schatz, ich weiß«, versuche ich Jule zu beschwichtigen.
    Zweite Eskalationsstufe, wir kommen.
    Sozusagen als Präventivschlag füge ich hinzu: »Aber es gibt doch auch andere Kinder. Sieh mal, der Junge da am Fenster. Der sieht doch aus, als könnte er ganz toll Fußball spielen. Vielleicht kannst du dich ja neben ihn …«
    »Da will ich hin«, ruft Jule und zeigt auf … nein, nicht auf den Jungen mit dem beruhigend eindimensionalen Bolzer-Blick, sondern auf das Prinzesschen! Dem fehlt, wie ich inzwischen erkennen kann, für die royale Rolle die eigentlich obligatorische Anmut – und das zarte Näslein. Vielmehr blitzen ihre Augen voller Unternehmungslust über einer für ihr Alter ungewöhnlich groß ausgefallenen Nase.
    Jule schnappt sich entschlossen meine Hand und zerrt mich in die Klasse, Kurs: die Prinzessin mit der großen Nase.
    »Los, Mama, kommm!«
    Aber, aber … das ist doch die verfeindete Rosa-Fraktion!
    Wir steuern jetzt sehr direkt den Platz neben ihr an, sie lächelt und redet dann ohne Vorwarnung auf Jule ein.
    Und Jule strahlt.
    Das gerade noch so drängende Verständigungsproblem scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Die kleine Französin schnattert weiter. Ich verstehe noch weniger als bei der Lehrerin, weil mein Französisch aus Oberstufe und Uni-Ergänzungskurs mit dem Slang einer Fünfjährigen eher suboptimal harmoniert. Meine Dolmetsch-Versuche scheitern deshalb schon in den Anfängen, und ich kann nicht viel mehr tun, als mich zu wundern und Jule und dem Mädchen aufmunternd

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