ruft er in meine Richtung: »Komm, Chloé, wir sind spät dran!«
Chloé?
Ich sehe mich um. Direkt neben mir steht ein kleines Mädchen. Es hat lange blonde Locken, trägt ein Himbeer-Törtchen mit Seidenspitze, hat eine ziemlich große Nase, lächelt mich an und hüpft zu diesem unverschämten Linguini ins Auto.
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21:39
»Hallo, hier ist nicht Betty, sondern nur mein AB . Ich habe nämlich selbst gerade etwas Besseres zu tun, als ans Telefon zu gehen. Ihr könnt mir aber gern eine Nachricht hinterlassen, bei Gelegenheit rufe ich vielleicht zurück. Nach dem Ton habt ihr 30 Sekunden Zeit, und die Besten unter euch schaffen das schon. Los geht’s.«
Piiiiieeeeeep.
»Hallo Bettina, es ist Donnerstagabend. Deine Ansagen werden ja immer freundlicher. Na ja, ich gehe mal davon aus, dass es dir gut geht. Jule hatte heute Einschulung. War ganz okay. Sie hat schon eine Freundin gefunden. Ihr Name wird Klo-eee ausgesprochen. Herzallerliebst, nicht wahr? Leider nicht so mein Fall. Vor allem dieser Vater! Aber was soll’s? Jule war ein bisschen sauer, dass ich sie zu spät abgeholt habe. Kann sein, dass sie sich demnächst mal wieder bei dir beschwert. Falls sie dich erreicht. Morgen ist jedenfalls erst mal Vorbereitungskonferenz in der Schule. Ich bin schon ganz gespannt, denn da gibt es ja auch diesen …«
»Piiiiiiiiieep.«
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Freitag, 3. September
In der »École Polyglotte«
»Die Vorbereitungen für den Tag der offenen Tür übernimmt in diesem Jahr Philippe Foulie«, erklärt Madame Guillotin in gewohnt diktatorischem Ton. Sie nickt meiner Hugh-Grant-Bekanntschaft feierlich zu, die mir am großen Konferenztisch direkt gegenübersitzt. »Nach unserer überaus erfolgreichen Offensive im vergangenen Jahr, neue Schüler aus Schwellenländern wie China, Brasilien, Indien und Russland anzuwerben und die entsprechenden Austauschstudenten, Gastwissenschaftler und Wirtschaftsmanager auf uns aufmerksam zu machen, konzentrieren wir uns dieses Jahr ganz auf Europa. Ich gehe davon aus, dass es ein großer Erfolg wird, nicht wahr, Monsieur Foulie?«
Hugh nickt: »Aber natürlich.« Ganz Mann und deshalb frei von jedem sichtbaren Selbstzweifel.
»Sehr gut. Deshalb habe ich Sie für diese Aufgabe ausgewählt. Und schließlich wissen wir ja alle, dass Ihnen Europa in all seinen Facetten besonders am Herzen liegt.«
Ein Raunen geht durchs Lehrerzimmer. Philippes politisches Engagement scheint allgemein angesehen zu sein. Zwei Lehrerinnen mir noch unbekannter Nationalität dahinten in der Ecke tuscheln wie Sechstklässlerinnen und schielen zu Philippe herüber. Er würdigt sie allerdings keines Blickes. Vielleicht könnte es daran liegen, dass sie von der französischen Linie und Eleganz noch ein paar mehr Lichtjahre entfernt sind als ich? Aber zumindest unterhalten sie sich prächtig.
»Ruhe«, herrscht die Direktorin sie sofort an. »Wir machen weiter mit Tagesordnungspunkt drei … ach, nein. Wir brauchen natürlich noch jemanden, der den Beauftragten für den Tag der offenen Tür unterstützt. Das erfordert selbstverständlich eine gründliche Organisation, die bekanntlich sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Eine Aufgabe also, mit der man sich durchaus profilieren kann. Diese Assistenz übernimmt in diesem Jahr …«
Zur Strafe sind bestimmt die Sechstklässlerinnen dran …
»… unsere neue Mitarbeiterin Madame Kirsch.«
Oh!
Meine beiden Kolleginnen in den wallenden Blusen und unförmigen Hosen räuspern sich demonstrativ.
Madame Guillotin befiehlt weiter: »Madame Kirsch, Sie werden sich direkt mit Monsieur Foulie über das weitere Vorgehen abstimmen. Dies ist eine selbstständige Teamarbeit, ich will von Ihnen beiden Ergebnisse sehen, keine Fragen hören und schon gar keine Entschuldigungen. Ist das klar?«
»Aber selbstverständlich«, sagt Philippe entschlossen. »Madame Kirsch und ich werden unsere Arbeit umgehend aufnehmen.«
»Natürlich«, pflichte ich ihm bei. »Alles bestens.«
Nicht zuletzt, weil ich gerade auf dem direkten Weg zur eleganten Karriere-Französin bin!
Dann schaut mich Philippe an und fügt auf Deutsch hinzu: »Es wirde mirre sein ein Vergnüggen.«
Huuuuuh …
5. Kapitel
To:
[email protected] From:
[email protected] Date: 16. September, 12:34
Re: Lebenszeichen
Liebe Anja,
sorry, sorry, sorry, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Aber du kennst mich ja. Hoffe, du hast dir keine Sorgen gemacht. Ich sage dir, die letzten zwei Wochen waren wie im