Ex en Provence
in mein Schlafzimmer geworfen und meine Ahnung bestätigt gefunden: Mein Bett hat nicht nur – wie erwartet – irgendwelchen Energieströmen Platz gemacht, sondern ganz offensichtlich auch vorübergehend den Besitzer gewechselt. Jedenfalls hat meine Mutter es frisch bezogen und ihr Supersexy-Negligé lässig übers Kopfkissen geworfen. Beim Gedanken an meinen eigenen Schlafanzug im praktischen Pyjama-Stil überkommt mich ein Anfall aus Enttäuschung und Sehnsucht zugleich.
Mir wird bewusst, dass mein Projekt, eine unwiderstehliche Französin aus mir zu machen, kläglich gescheitert ist – und niemand Geringeres als meine eigene Mutter hat es mir gerade auch noch einmal vor Augen geführt. Gleichzeitig würde ich jetzt nichts lieber tun, als mich in meinem kuscheligen, so gar nicht aufregenden Schlafanzug mit einer großen Tasse heißen Kakao an meinen Küchentisch zu setzen. Doch dieser ist ja leider belegt von meiner illustren Familie und meinem endgültig zum Ex degradierten Beinahe-Liebhaber Philippe.
Im Bad angekommen, wähle ich Nathalies Nummer.
»Oui, âllo?«
»Hallo Nathalie, entschuldige, dass ich so spät noch anrufe. Ich hoffe, ich störe nicht.«
»Anja! Du störst nicht, aber warum flüsterst du?«
»Damit mich niemand hört, natürlich. Ich muss dringend Asyl bei dir beantragen.«
»Wie bitte? Was ist los? Ist dir der Bauernhof nicht bekommen?«
»Doch, sehr gut sogar. Aber jetzt wird meine Wohnung von meiner Verwandtschaft belagert. Es ist wirklich verrückt. In meiner Küche sitzen meine Mutter, meine Schwester und Philippe.«
»Oh!«
»Und sie essen peruanisches Kaninchen, aber nur weil Meerschweinchen im ›Casino‹ gerade aus war. Sie übertreffen sich mit ihrem deutsch-französischen Kauderwelsch, verstehen vom anderen jeweils höchstens ein Viertel, aber Philippe ist der Star. Wie ein echter Hühnerstall.«
»Ich kann dir nicht ganz folgen.«
»Macht nichts. Sag mir einfach, wie ich die alle wieder loswerde!«
»Inklusive Philippe?«
»Ja, weil, weil …«
»… er ein Herzensjäger ist …«, sagt Nathalie und unterdrückt ein Kichern. »Ein Schürzenbrecher, ein … ach, du weißt schon.«
»Ja, ich weiß. Aber woher weißt du das?«
»Tja. Intuition. Wie hast du dich denn eigentlich so mit Eric Leroy vertragen?«
»Äh, ja, also … besser als befürchtet. Ehrlich gesagt, viel besser. Wie kommst du denn jetzt darauf?«
»Intuition. Und ich habe einen Sohn, der auf derselben Klassenfahrt war und so einiges erzählt …«
»Oh, tatsächlich? Nathalie, ich muss aufhören. Ich glaube, meine kleine Abendgesellschaft löst sich jetzt auf. Wir sprechen uns morgen.«
#
Verwirrt kehre ich in die Küche zurück. Bettina ist aufgestanden und gähnt hinter vorgehaltener Hand. »Anja, Kleines. Ich glaube, ich bin ein bisschen müde von der Fahrt. Ich denke, ich werde mich jetzt ins Hotel zurückziehen. Es sind schließlich auch ein paar Kilometer, bis ich da bin. In deinem Dörfchen hier gibt es ja keine angemessene Unterkunft. Entschuldige mich, ja?« Bettina fasst sich ein wenig theatralisch an die Stirn. »Ich habe auch etwas Kopfschmerzen, sorry. Aber wir haben sicher noch genug Gelegenheit, uns zu unterhalten.«
Darauf kannst du zehn Aspirin nehmen.
»Natürlich.«
Philippe faltet seine Serviette zusammen und folgt meiner Schwester aus der Wohnküche in den kleinen Eingangsbereich. »Isch werde jetzt auch ge-en, Andscha.«
Nur zu.
»Waaas?«, ruft meine Mutter sichtlich entsetzt und läuft hinterher. »Du willst schon gehen, Philippe? Wie schade«, fügt sie hinzu und überreicht ihm eine ihrer Visitenkarten. »Hier, wenn du mal in Berlin sein solltest, freue ich mich über einen Besuch.« Dann hält sie Philippe die Wange zum Kuss entgegen. »Es war mir ein Vergnügen, dich kennengelernt zu haben.«
»Miir auch, Monique.«
Küsschen rechts.
»Abber, isch denke …«
Küsschen links.
»… nach so langer Seit …«
Küsschen rechts.
»… Muutter und Tochter aben noch viel zu bespreschen, oder?«
Küsschen links.
»Sicher, sicher«, pflichtet ihm meine Mutter bei.
Los, Anja! Wenn schon nicht elegant und eloquent, dann wenigstens eigenständig und endlich erwachsen …
»Nein, nein«, erkläre ich ruhig. »Hier gibt es heute nicht mehr viel zu besprechen. Ich bin nämlich leider ziemlich erledigt von der Klassenfahrt. Deshalb werde ich gleich ins Bett gehen …«
… und zwar in meins!
»Wenn du also bitte deine Sachen packen würdest«, sage ich zu meiner
Weitere Kostenlose Bücher