EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung
Decke des Wohnzimmers. Wie aus einer anderen Welt hörte er die Stimme aus dem Telefon. Dazwischen sein leises Schluchzen. Als er realisierte, dass die Mitteilung von vorne begann, hängte er ein.
In der Zwischenzeit hatte sich der Kühlschrank eingeschaltet und surrte vor sich hin. Wenigstens ein Surren. Tim stand auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Genug geplärrt. Heulsuse! Er würde Musik laufen lassen, um so der Stille den Garaus zu machen. Kaum war er aufgestanden ... Dunkelheit. Der Strom war ausgefallen.
»Jetzt?« Paul O’Brien fand, der Psychoterror sei groß genug.
»Jetzt! Genau jetzt !« Oberst Warren wollte testen, wie weit er die Zivilisten bringen konnte.
Allen im SitRoom war ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen, als die fünf Programme nach Schdanows Ultimatum innerhalb einer Minute nur noch Schwärze ausstrahlten. Ein kollektives »Huuuh!« war durch den Raum gegangen.
»Jetzt!« Warren blickte O’Brien unnachgiebig an.
»Also gut. Ihre Verantwortung. Meiner Meinung nach haben sie genug. Ist ja eigentlich mein Job.« O’Brien war nicht wohl in seiner Haut. Er hatte die Angst in den Gesichtern der Leute gesehen und sich gewünscht, nie bei dem Experiment mitgemacht zu haben. Nie mit seinem Halbbruder über das Thema gesprochen zu haben. Nie an einer Sitzung im Pentagon teilgenommen zu haben. Aber jetzt saß er hier im SitRoom im Keller des Excess Headquarters. Hatte ein schlechtes Gewissen. Er war müde. Zu müde, um sich noch gegen Warren zu wehren.
»Also. Stromausfall. Jetzt. Fünf Minuten«, sagte er Richtung Landler.
»Zwanzig Minuten!«, trieb es Warren auf die Spitze.
»Ich bin der ... Stress Consultant.« Der Titel wirkte auf O’Brien jetzt nur noch peinlich und hochtrabend. Sie trieben ein schlimmes Spiel mit unschuldigen Menschen. Im Raum nebenan kühlte die Leiche ihres ersten Opfers ab. Und er nannte sich prätentiös Stress Consultant. Dabei war er nicht mehr als ein Verbrecher.
»Machen Sie, was der Oberst sagt. Seine Verantwortung. Schreiben Sie das ins Protokoll.«
Landler machte einen Eintrag ins Log und blickte zum Electrical Power Manager. Der klickte mit der Maus und der Strom in Sandrock war weg.
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Sonntag, 11. September 2016 06.07 CDT / 13.07 MESZ
Um keine Spuren – zumindest keine offensichtlichen – bei den elektronischen Aufklärungsabteilungen amerikanischer und anderer Dienste zu hinterlassen, wurden die von Sandrock nach Luxemburg gesendeten Informationen kunstreich verschlüsselt und versteckt. Die Kryptografie war nicht das wirkliche Problem. Sie war so massiv, dass selbst die voraussichtlich in zehn, zwanzig Jahren verfügbaren Computer noch Ewigkeiten brauchen würden, um sie zu knacken. Da die National Security Agency, das National Reconnaissance Office und andere Dienste es jedoch nicht gerne sahen, wenn sie Daten nicht dechiffrieren konnten, war das Verstecken des Datenflusses wichtiger als die Verschlüsselung. Letztere war nur der Notfallschirm.
Um die Daten zu verstecken, bediente sich die STOG der Steganografie - der Wissenschaft der verborgenen Übermittlung von Informationen. Schon im Altertum wurde dieser Trick angewendet. So markierte man zum Beispiel einzelne Buchstaben eines unverfänglichen Texts mit Tinte, die erst durch Zugabe einer Substanz sichtbar wurde. Die markierten Buchstaben ergaben den Inhalt der versteckten Nachricht.
Jahrtausende später ließ Margaret Thatcher, erbost über Kabinettsmitglieder, die interne Dokumente an die Presse weitergaben, die Textverarbeitungssoftware in den Ministerien modifizieren. Anhand der Abstände zwischen den Buchstaben und Wörtern konnte die undichte Stelle identifiziert werden.
Im Fall von Excess war das Verstecken der Daten komplexer: Die einzelnen Bilder aus Sandrock wurden zuerst auseinandergenommen und dann chiffriert. Dies geschah in den Prozessoren, die vor dem Experiment ohne Wissen des Excess-Teams in einige Computer im SitRoom eingebaut worden waren. Die einzelnen chiffrierten Datenpakete wurden dann in einem unauffällig wirkenden, konstanten Datenfluss – den Bildern einer Webcam, die den Palo Duro Canyon zeigte – vom SitRoom nach Amarillo gesendet. Dort landeten sie bei ErotiPixx.com, einem Anbieter von Softpornos. ErotiPixx.com war eine Frontorganisation der STOG, die, um keinen Verdacht durch zeitliches Zusammentreffen hervorzurufen, bereits seit einem Jahr in
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