EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung
auf.
Jetzt, es war halb zehn, war er bereits außer Gefahr. Weder im SitRoom noch im Einsatzraum bei Luxemburg hatte man seine Flucht bemerkt. Die entlang der Demarkationslinie der Realität aufgestellten Kameras – fünf Meilen um das Zentrum von Sandrock – hatten die Furchen und Spalten nicht im Blickfeld. Ein Planungsfehler von Floyd Landler, der Tim jetzt zugute kam. Natürlich konnte er nicht ahnen, dass er, bereits zwei Meilen außerhalb der Experimentzone von Excess, hätte hüpfen und schreien und tanzen können, und so versuchte er weiterhin, möglichst nah an der Felswand entlang zu rennen. Zwischendurch ging er immer wieder in die Hocke und beleuchtete die Karte vorsichtig mit der Taschenlampe. Das fahle Licht des Mondes ließ den verästelten Canyon bedrohlich erscheinen. Tim atmete schwer. Sein rechtes Schienbein schmerzte, seit er es vor einer halben Stunde an einem aus der Wand ragenden Felsen angeschlagen hatte. Er wusste, dass er einen langen Weg vor sich hatte. Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden wollte er so nah wie möglich an Amarillo herankommen, um dann Mittwochmorgen, nach dem Ende der Ausgangssperre, irgendwie zu versuchen, in die Stadt zu gelangen.
Das Wasser in der kleinen Plastikflasche, die er mit sich trug, war bereits aufgebraucht. Der Sheriff hatte die Stellen markiert, an denen er sie würde auffüllen können. Zum Glück hatte es am Vortag geregnet und so hoffte Tim, die kleinen Bäche und Tümpel nicht leer vorzufinden. Zu essen hatte er nichts mitgenommen. Es war schwierig genug gewesen, Wasserflasche, Taschenlampe und Karte so in seiner Joggingjacke zu verstecken, dass es nicht allzu sehr auffiel. Er fragte sich, was passieren würde, falls man ihn erwischte. Die Präsidentin hatte mit der Möglichkeit standrechtlicher Verfahren gedroht. Er hoffte, seine wahrheitsgemäße Erklärung, er wolle nur seine Freundin noch einmal sehen, würde das Schlimmste verhindern. Spätestens morgen, wenn Don’s nicht wie gewöhnlich öffnete und man ihn nicht zuhause vorfand, würde seine Flucht auffliegen.
Tim hatte Angst. Abgesehen von Falschparken hatte er noch nie im Leben das Gesetz übertreten. Jetzt riskierte er, als Terrorist gebrandmarkt zu werden. Ob man ihn schon vor dem Haus von Josephina erwartete? Sie wussten ja, dass er ihre Nummer immer wieder gewählt hatte. Andererseits: Würde es überhaupt ein Morgen geben?
Nach reiflicher Überlegung hatte Jeanne Adams die Entscheidung gefällt. Southern Countdown 16 musste abgebrochen werden – auch wenn sie nicht genau wusste, warum. Eine unauffällige Anfrage beim Koordinator der Geheimdienste Emmanuel Rubinstein hatte kein Resultat ergeben. Offenbar waren die inländischen Dienste vollkommen ahnungslos. Sie vertraute dem Ratschlag von Mattei und seinem Ausnahmeanalytiker. Obwohl sie sich im Klaren darüber war, dass auch sie nur eine sehr vage Vorstellung vom Wesen des möglicherweise im Manöver versteckten Vorgangs hatten. Wäre sie jetzt im Wahlkampf um eine neue Amtsperiode, die Entscheidung wäre ihr viel zu riskant. Die Gegner würden sie im schlimmsten Fall als Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen.
Adams fluchte, weil sie für den Abbruch des Manövers ausgerechnet auf die Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsminister Paul Jackson angewiesen war. Er hatte seit seiner Ernennung kurz nach ihrem Amtsantritt, zu der sie sich aufgrund zahlreicher Interventionen von Think Tanks, die der Rüstungsindustrie nahe standen, durchgerungen hatte, keine Gelegenheit ausgelassen, sie sein Missfallen spüren zu lassen. Mehr als einmal waren sie bei Kabinettssitzungen aneinander geraten, und mehr als einmal hatte er, seinen fehlenden Respekt demonstrierend, die Sitzungen vorzeitig verlassen oder war absichtlich zu spät erschienen. Seit sie ihn daraufhin einmal wie einen Schulbuben abgekanzelt hatte, war ihr Verhältnis vollkommen zerrüttet.
Sie griff zum Telefon und bat die Kommunikationszentrale des Weißen Hauses um eine sofortige Verbindung mit Jackson. Zehn Minuten später hatte sie ihn am Apparat.
»Dieses Manöver in Texas, Southern Countdown, ich nehme an, es findet unter Federführung des Pentagons statt?«, kam sie sofort zur Sache.
»Ganz recht. Sie sprechen sicher von dem Absturz.«
»Nein, es geht mir nicht um den Absturz. Ich möchte, dass Sie das Manöver sofort beenden.«
»Wie bitte?« Seine Stimme klang, als habe sie ihm seine Entlassung
Weitere Kostenlose Bücher