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Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Titel: Exil im Kosmos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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und die Schwerkraft ein bisschen zu stark war. Boardmans Miene verdüsterte sich zusehends. Wie lange sollte die Qual dieser Landung noch andauern?
    Er wischte sich kalten Schweiß von der Stirn und blickte voll Neid zu Ned Rawlins, dem nichts anzumerken war. Zweiunddreißig oder dreiunddreißig Jahre alt, das Bild eines zuversichtlichen jungen Mannes, noch gezeichnet von der Naivität der Jugend, aber mit Augen, in denen schon Wissen und Erkenntnis wohnten. Groß und im konventionellen Sinne gutaussehend, ohne Korrekturen kosmetischer Chirurgie; helles Haar, blaue Augen, ein breiter, zu Lächeln neigender Mund, gute Zähne. Er war der Sohn eines Kommunikationstheoretikers, der zu seinen Lebzeiten einer von Richard Müllers wenigen Freunden gewesen war. Boardman versprach sich einiges von dieser Verbindung.
    Rawlins fragte: »Fühlen Sie sich nicht gut?«
    »Ich werde es überleben«, ächzte Boardman. »Wir werden bald unten sein.«
    »Es scheint diesmal wirklich lange zu dauern«, sagte Rawlins, bemüht, Verständnis zu zeigen, und nicht zuviel Mitleid.
    »Gleich haben wir es hinter uns«, murmelte Boardman und schloss wieder seine Augen.
    Das Schiff setzte mit spürbarem Stoß auf. Das Donnern und Heulen der Bremstriebwerke verstummte, doch in der plötzlichen Stille blieb sein Nachklang in den Ohren der Männer. Boardman schnaufte und dachte: Wir sind da. Nun das Labyrinth und Richard Müller. Nun werden wir sehen, ob er in den vergangenen neun Jahren anders geworden ist. Vielleicht ist er mittlerweile voller Sehnsucht nach menschlicher Gesellschaft. Oder verrückt. Oder tot?

Kapitel 3
     
    Ned Rawlins war kein weitgereister Mann. Er hatte nur drei Welten besucht, und zwei von ihnen waren im heimatlichen Sonnensystem. Als er sechzehn gewesen war, hatte sein Vater ihn zu einer Sommerreise auf den Mars mitgenommen. Zwei Jahre später hatte er Venus besucht, und elf Jahre danach hatte er die melancholische Reise zum Rigelsystem gemacht, um den Leichnam seines Vaters heimzubringen.
    In einer Zeit, wo überlichtschnelle Schiffe das Reisen von einem Sternsystem zum anderen einer konventionellen Flugreise von Europa nach Australien vergleichbar machten, war das nicht viel, doch er hoffte, in zukünftigen Jahren mehr Gelegenheiten zu erhalten. Hörte man Charles Boardman erzählen, so war dieses ganze Herumreisen zwischen den Welten eine ziemlich lästige und mühselige Angelegenheit, aber Rawlins sagte sich, dass dies die Einstellung eines alten Mannes sei, der in seinem Leben schon zuviel herumgekommen war und sich nach Ruhe und den Bequemlichkeiten sesshaften Lebens sehnte.
    Rawlins schloss nicht aus, dass er selbst eines Tages des Reisens überdrüssig sein würde, aber jetzt stand er zum vierten Mal in seinem Leben auf der Oberfläche einer fremden Welt, neugierig und erwartungsvoll, und es machte ihm Spaß. Das Schiff war auf der weiten Ebene gelandet, die Müllers Labyrinth umgab; die äußerste Umwallung lag nach Auskunft des Piloten ungefähr neunzig Kilometer entfernt in südöstlicher Richtung. Es war Nacht. Der Planet hatte einen dreißigstündigen Tag, und ein Jahr dauerte zwanzig Monate. Die Luft war trocken und herbstlich kühl. Rawlins stand neben dem Schiff und sah zu, wie die Besatzungsmitglieder Fertigteile aus Leichtmetall ausluden, die vermutlich zu einer Unterkunftshütte oder etwas Ähnlichem zusammengefügt werden sollten. Charles Boardman stand abseits, eingemummt in einen dicken Pelzmantel und so tief in Gedanken verloren, dass Rawlins ihn nicht stören mochte. Seine Haltung zu Boardman war von einem schwer zu entwirrenden Gemisch aus Furcht, Bewunderung und starken Vorbehalten bestimmt, vergleichbar etwa den abhängigkeitsbewussten Gefühlen eines kleinen Angestellten für seinen autoritären Prinzipal. Er wusste, dass Boardman ein zynischer alter Menschenverächter war; gleichwohl war es unmöglich, ihn nicht zu bewundern. Boardman war eben auch ein unzweifelhaft großer Mann. Rawlins hatte in seinem Leben nicht viele kennengelernt. Sein eigener Vater war auf seine eigene Weise vielleicht einer gewesen. Richard Müller mochte einer sein. Er hoffte auf eine ähnliche Karriere, wie Boardman sie hinter sich hatte. Natürlich hatte er nicht Boardmans Gerissenheit – die ihm auch nicht erstrebenswert erschien –, aber er hatte andere Eigenschaften, die Boardman fehlten, eine Vornehmheit der Seele, zum Beispiel. Ich kann in meiner eigenen Art nützlich sein, dachte Rawlins, und dann fragte er

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