Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
sich, ob dies eine naive Hoffnung sei.
Ein kalter Wind fegte über die Ebene, die leer und öde in die Nacht hinausreichte. Er hatte in der Schule über Lemnos gelesen. Es war einer von den altgewordenen Planeten, vor langer Zeit aufgegeben von einer unbekannten fremden Rasse, in einem langsamen Prozess des Austrocknens und Absterbens begriffen. Von seinen einstigen intelligenten Bewohnern war außer fossilen Knochen, den Bruchstücken von Werkzeugen und dem Labyrinth nichts geblieben. Dieses Labyrinth, eines der erstaunlichsten Werke im ganzen bekannten Universum, umschloss eine Stadt der Toten, die die Jahrtausende fast unberührt überdauert hatte.
Archäologen hatten die Stadt aus der Luft fotografiert, mit automatischen Sonden untersucht und waren frustriert wieder abgezogen, unfähig, sie ohne Lebensgefahr zu betreten. Sieben oder acht Expeditionen hatten vergebens versucht, einen Weg ins Labyrinth zu finden; alle wagemutigen Eindringlinge waren umgekommen, Opfer der verborgenen Fallen in den äußeren Zonen. Der letzte derartige Versuch war vor fünfzig Jahren unternommen worden. Dann war Richard Müller hierhergekommen, auf der Suche nach einem Ort, wo er sich vor der Menschheit verbergen konnte, und irgendwie hatte er den Zugang gefunden.
Rawlins fragte sich, ob es ihnen gelingen würde, eine Verbindung mit Müller herzustellen. Er fragte sich auch, wie viele Teilnehmer dieser Expedition sterben würden, bevor sie ins Labyrinth kämen. Die Möglichkeit seines eigenen Todes zog er nicht in Betracht. In seinem Alter war der Tod noch immer eine Sache, die anderen widerfuhr. Aber einige von den Männern, die jetzt am Aufbau ihres Lagers arbeiteten, würden wahrscheinlich in wenigen Tagen sterben.
Während er darüber nachdachte, kam ein Tier hinter einer sandigen Bodenwelle zum Vorschein, nicht weit von ihm entfernt. Rawlins betrachtete das fremdartige Wesen mit staunender Neugier. Es war einer großen Hauskatze nicht unähnlich, aber die Krallen waren lang und offenbar nicht einziehbar, und sein Maul, breit und unverhältnismäßig groß, starrte von dünnen, nadelspitzen Zähnen. Fluoreszierende Streifen gaben seinen mageren Flanken ein unheimliches Schimmern. Rawlins konnte sich nicht vorstellen, welchen Nutzen eine leuchtende Haut für ein Raubtier haben sollte, es sei denn, sie diente ihm als eine Art Köder zum Anlocken von Beutetieren.
Das Tier trottete langsam näher, beäugte Rawlins aus vielleicht zehn Metern Entfernung, schwenkte dann ab und näherte sich dem Schiff. Die Verbindung von fremdartiger Schönheit, Kraft und Bedrohung verlieh der Bestie einen eigentümlichen Reiz.
Boardman sah das Tier herankommen und zog eine Waffe unter seinem Mantel hervor.
»Nein!«, rief Rawlins. »Nicht töten! Es will uns nur ansehen!«
Boardman feuerte.
Das Tier sprang hoch, krümmte sich in der Luft und landete schlaff und mit ausgestreckten Beinen auf der trockenen Erde. Rawlins lief hin, schockiert und ärgerlich. Das war absolut unnötig gewesen, dachte er. Das Tier wollte uns nur auskundschaften. Was für eine gedankenlose Brutalität!
»Hätten Sie nicht eine Minute warten können, Boardman?«, fragte er verärgert. »Wahrscheinlich wäre es von allein wieder fortgegangen! Warum …«
Boardman lächelte. Er winkte einen Mann heran, der ein Tragnetz holte, das Tier hineinsteckte und zum Schiff trug. »Ich habe es nur betäubt, Ned«, sagte der alte Mann. »Wir werden einen Teil der Reisekosten wieder hereinholen, indem wir unseren Zoos ein paar seltene Tiere verkaufen. Hatten Sie mich für so schießwütig gehalten?«
Rawlins errötete ein wenig, zuckte mit der Schulter. »Nun – eigentlich nicht. Das heißt …«
»Schon gut. Das heißt, nein. Vergessen Sie es nicht. Ziehen Sie eine Lehre daraus: man muss alle Details prüfen, bevor man Unsinn schreit.«
»Aber wenn ich gewartet hätte, bis Sie es womöglich abgeschossen hätten …«
»Dann hätten Sie auf Kosten eines Tierlebens etwas über meinen hässlichen Charakter gelernt. Statt dessen haben Sie sich umsonst aufgeregt. Also lassen Sie sich in Zukunft Zeit, Ned. Wägen Sie ab. Manchmal ist es besser, etwas geschehen zu lassen als voreilig einzugreifen. Ich weiß, dass ich ein unleidlicher alter Kerl bin, aber Sie sollten bereit sein, etwas von mir anzunehmen.«
»Das tue ich. Ich würde nie behaupten, dass ich nichts mehr zu lernen hätte.«
»Ich weiß. Tut mir leid, Ned. Ich sollte nicht so auf Sie losgehen. Es war richtig, dass Sie
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