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Existenz

Existenz

Titel: Existenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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»Verbesserungen« ausstattete, von irgendeinem lüsternen Schnösel entworfen. Auf einer anderen berichteten Post-it-Etiketten von Gerüchten und Gerede über alle vorbeikommenden Personen – eine Fundgrube für Klatschspalten-Schreiber, wenn man gute KIware hatte, um Lügen und Verleumdungen herauszufiltern.
    Jedenfalls, wer hatte Zeit für Kinderkram? Tors Stapel an Ersatzrealitäten war praxisbezogen und auf das Wesentliche konzentriert – die zweite Bedeutungsschicht der Welt, heute so wichtig wie einst der Geruch von Nahrung und Wasser für die fernen Vorfahren des Menschen. Das moderne Äquivalent eines knackenden Zweigs. Spuren von Raubtier und Beute.
    Tor blieb bei einem Laden stehen, der Stabschrecken aus der Retorte anbot; diese spezielle Sorte war zu mehreren Gangarten imstande und konnte sogar joggen. Ein Auswärtiger – daran zu erkennen, dass er hier in Sandego bleiverstärkte Unterwäsche trug – feilschte um einen Großauftrag. »Für den Laden meiner Schwester in Delhi«, sagte der Tourist, ohne zu ahnen, dass das Blei in seiner Unterwäsche die Displaymuster des Overalls aus Pixelfaser veränderte und ihn zu einem dickbäuchigen Supermann-Spottbild machte, der seine Unterhose außen trug. Der Ladeninhaber wackelte mit den Fingern, ließ die Zähne klacken, überprüfte rasch Geschäft und Kredit des genannten Geschäfts und streckte dann die Hand aus. »Ich liefere in zehn Tagen.«
    Der Kunde schlug ein, und ihre Brillen zeichneten alles auf. Wie in alten Dorfgemeinschaften zählte der Ruf mehr als ein Vertrag. Doch in diesem Fall war das »Dorf« so groß wie die ganze Welt.
    Manchmal ist es zu groß. Zum Beispiel dann, wenn zwei ehrgeizige Personen einander nah bleiben wollen, während sie ihren Ambitionen auf verschiedenen Kontinenten nachgehen.
    Nachdem sie sich geliebt hatten, bot Wesley eine Lösung an: den Austausch ferngesteuerter Sexbots, damit sie durch Stellvertreter zusammen sein konnten, während in Wirklichkeit Tausende von Kilometern zwischen ihnen lagen. Tor nannte es einen schlechten Witz und meinte, Wesley sollte besser nicht kommen, um sie zu verabschieden. Und er war mit einer Bereitwilligkeit einverstanden gewesen, die ihr wehtat.
    Soll ich ihn anrufen? Ihm sagen, dass ich ihn doch noch einmal sehen möchte? Tor hob die Hand für seinen Gestencode …
    … und im gleichen Augenblick ertönte ein dumpfes Pfeifen, das die Rauchskulpturen erzittern ließ und sie zum Lindbergh-Rutan-Skydock rief. Die Passagiere sollen an Bord kommen, dachte Tor. Zu spät. Sie seufzte und wandte sich zum Gehen.
    Ihre Reaktion auf den Pfiff blieb nicht unbemerkt. Ein naher Verkäufer tippte an seine Brille, lächelte und verbeugte sich. »Bon Voyage, Miss Tor«, sagte er mit einem deutlichen jemenitischen Akzent. Er musste sie scankorreliert, auf der Passagierliste der Santos-Dumont gefunden und ihren bescheidenen lokalen Ruhm bemerkt haben. Ein anderer Ladeninhaber lächelte und drückte ihr einen Strauß frischer Blumen in die Hand, als sie vorbeiging.
    Direkt vor Tor flackerten eMeldungen wie Glühwürmchen, und sie wanderte durch einen Korridor aus kurzlebigen Abschiedsgrüßen. Ihre Arme füllten sich mit kleinen, impulsiven Geschenken und ihre Ohren mit guten Wünschen in einem Dutzend Sprachen. Plötzlich erfasst von einer tiefen Ergriffenheit, die der Stadt galt, die sie nun verließ, machte sie sich auf den Weg zum Terminal, wo ein riesiger Zeppelin auf sie wartete.
    Trotz der vielen Augen und Ohren, die Tor zur Verfügung standen, merkte sie nicht, dass sie die ganze Zeit über verfolgt wurde. Es gab auch keinen Grund dafür, dass sie etwas bemerken sollte, denn es war ein Geist , der ihr dicht auf den Fersen blieb und ihr durch die vertrauten, nachbarschaftlichen Wege des globalen Dorfs folgte.
    Aber außerhalb des Dorfes, jenseits seines Waldes aus zahmen Overlays … murmelte ein Dschungel, den Tors natürliche Augen nie sehen konnten.

Entropie
    Vor etwa einem Jahrhundert sprachen der Physiker Enrico Fermi und seine Kollegen bei einer Mittagspause während des Manhattan-Projekts über Leben im Kosmos. Einige jüngere Wissenschaftler meinten, dass es unter Milliarden und Billionen Sternen zahllose von intelligenten Wesen bewohnte Welten geben müsse. Wie interessant die Zukunft doch sein könnte, wenn es möglich wäre, mit ihnen zu reden!
    Fermi hörte geduldig zu und fragte dann: »Und? Hätten wir inzwischen nicht eine Nachricht von ihnen empfangen und ihre großen Werke sehen

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