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Existenz

Existenz

Titel: Existenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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besser, aber der Kapuziner war noch nicht ganz überzeugt.
    »Lass mir ein wenig Zeit«, brummte Gerald. »Ich weiß, was ich tue.«
    Doch das dynamische Modell des Computers stimmte Hachi zu. Es sagte noch immer keinen sicheren Griff voraus, wenn das Ende des Strangs für ein kurzes Rendezvous jenes Stück Raummüll erreichte, auf das Gerald es diesmal abgesehen hatte.
    Eine weitere Zahn-Klick-Anweisung, und die Nacht schloss sich vollständiger um ihn. Die Dunkelheit simulierte, was er dort oben sehen würde, wo die Sterne deutlicher leuchteten. Aus so großer Höhe gesehen wirkte die Erde mehr wie eine Scheibe und füllte nur noch ein Viertel des Himmels.
    Was er jetzt hörte, fühlte und sah, kam ausschließlich von dem robotischen Kabel. Eine von den Sternen herabhängende Liane, an der man hin und her schwingen konnte.
    Einmal ein Affe, immer ein Affe.
    Der Strang wurde Geralds Körper. Ein elektrisches Prickeln auf dem Rücken, wie ein kleiner Graupelschauer, wies auf den Van-Allen-Strahlungswind hin, gefangen in Gürteln, die den mittleren Orbitalbereich in ein gefährliches Brutzeln verwandelten, von neunhundert Kilometern Höhe bis zu etwa dreißigtausend.
    Das Bermuda-Dreieck des erdnahen Weltraums . Kein Mensch konnte in diesem Bereich länger als eine Stunde überleben. Die Apollo-Astronauten fingen sich die Hälfte der zulässigen Strahlungsdosis ein, als sie bei ihrer Reise zum Mond den Gürtel in nur einigen Minuten durchquerten. Teure Kommunikationssatelliten trugen beim Aufstieg durch jene mittlere Zone mehr Schäden davon als in einem ganzen Jahrzehnt weiter oben im geostationären Orbit.
    Seit der kurzen Zeit der kühnen Mondmissionen – und der noch kürzeren Zheng He -Periode – hatte sich kein Astronaut durch den Strahlungsgürtel gewagt. Sie blieben stattdessen in Sicherheit, ein kleines Stück über der Atmosphäre, während Roboter das Sonnensystem erforschten. Das machte Gerald zu dem Burschen-weit-Draußen! Mit der Bola als Arm und dem Greifer als Hand langte er in den Mahlstrom hinein. Niemand sonst kam so weit nach oben.
    Auf der Suche nach Müll.
    »Na schön …«, murmelte er. »Wo bist du …?«
    Das Ziel war vom Radar erfasst, so gut es eben ging in einem knisternden Nebel aus geladenen Teilchen. Position und Flugbahn zitterten immer wieder – das Ziel schien schlüpfrig zu sein und sich wie ein lebendes Wesen dem Zugriff entwinden zu wollen. Schlimmer noch: Gerald hätte schwören können – obwohl kaum jemand bereit gewesen wäre, ihm zu glauben –, dass sich selbst die Umlaufbahnen in dieser seltsamen Zone verschoben, um einige Tausendstel Prozent, die mehrere Dutzend Meter ergaben. Was einem Bola-Wurf mehr künstlerische Aspekte verlieh als physikalische. Computer mussten noch eine Menge lernen, bevor sie diesen Job von ein paar Primaten übernehmen konnten.
    Hachi schnatterte aufgeregt.
    »Ja, ich sehe es.« Gerald kniff die Augen zusammen, und die visuellen Sensoren am Ende des Strangs vergrößerten sofort ein Glitzern direkt voraus. Das Ziel , vermutlich ein Stück Raumschrott, Andenken an eine verschwenderische Generation. Vielleicht Teil einer abgeworfenen russischen Raketenstufe. Oder ein Verbindungsring von einem Apollo-Flug. Oder gar eine der mit menschlicher Asche gefüllten Kapseln, die früher, während des Begräbnis-im-All-Wahns, in den Orbit geschossen worden waren. Oder die Reste eines Waffentests. Space Command behauptete, den ganzen Müll mit dem Radar erfasst und kartografiert zu haben, alle Teile mit einem Durchmesser ab zehn, zwölf Zentimetern.
    Gerald wusste es besser.
    Was auch immer dieses Ding sein mochte, es wurde Zeit, das Objekt heimzubringen, bevor die Kollision mit anderen Trümmerteilen eine Serie von sekundären Impakten bewirkte – ein unkontrollierbarer Vorgang, der es vielleicht nötig machte, Wetter- oder Forschungssatelliten zu ersetzen oder unter hohem finanziellem Aufwand zu panzern.
    Das Einsammeln von Müll war nicht sehr romantisch, und diese Beschreibung passte auch auf Gerald. Er hatte keine Ähnlichkeit mit dem klassischen Bild eines heldenhaften Raumfahrers. Was er sah, wenn er in einen Spiegel blickte, war eher enttäuschend: ein Mann in mittleren Jahren, das Gesicht faltig vom häufigen Blinzeln im grellen Licht des Orbits, wo der Sonnenaufgang wie eine Mauer kam, alle neunzig Minuten.
    Aber er war gut darin, mit seiner Fantasie ein kleines Kunststück zu vollbringen und sich vorzustellen, dass er tatsächlich dort oben war,

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