Exodus
Briten eigen ist. War es denkbar, daß diese Leute auf der Exodus von mystischen Kräften getrieben waren? Nein, er war Diplomat und Realist, und er glaubte nicht an irgend etwas Übernatürliches.
Und doch — ein Heer und eine Flotte standen ihm zur Verfügung; er konnte, wenn er wollte, die Exodus und alle anderen Blockadebrecher in die Luft sprengen — aber er konnte sich einfach nicht dazu entschließen.
Auch der Pharao von Ägypten hatte die Macht auf seiner Seite gehabt! Bradshaw brach der Schweiß aus. Das waren doch alles Hirngespinste! Er war übermüdet, seine Nerven waren überansprucht. Was für ein Unfug!
LASST MEIN VOLK IN F RIED EN ZIEHEN!
»Crawford!« rief Bradshaw laut. »Crawford!«
Crawford kam eilig hereingestürzt. »Hatten Sie nach mir gerufen?«
»Crawford — setzen Sie sich mit Tevor-Browne auf Zypern in
Verbindung — sofort. Sagen Sie ihm — sagen Sie ihm, er soll die Exodus nach Palästina auslaufen lassen.«
ZWEITES BUCH
DAS LAND IST MEIN
Denn Mein ist das Land, und ihr seid Fremdlinge und Gäste vor Mir. Und alle in eurem Lande sollt das Land auslösen.
MOSES, 3. BUCH, 25, I.
I.
Der Kampf um die Exodus war beendet!
Innerhalb von Sekunden gingen die Worte »Exodus darf auslaufen« durch den Äther, und bald erschienen sie überall auf der Welt als Schlagzeile.
Auf Zypern war die Freude der Bevölkerung grenzenlos, und um die ganze Welt ging ein tiefes Aufatmen. Die Kinder an Bord der Exodus waren zu erschöpft, um den Sieg zu feiern.
Die Engländer ersuchten Ari ben Kanaan dringend, an den Kai zu kommen, damit man den Kindern ärztliche Pflege angedeihen lassen und das Schiff inspizieren und überholen könnte. Ben Kanaan war einverstanden. Als die Exodus anlegte, begann in Kyrenia eine fieberhafte Tätigkeit. An die zwanzig englische Militärärzte kamen an Bord und ließen die schwereren Fälle rasch an Land schaffen. Im Dom-Hotel wurde in aller Eile ein improvisiertes Lazarett eingerichtet. Wagenkolonnen brachten Verpflegung und Bekleidung heran. Die Bevölkerung von Zypern schickte Geschenke. Ingenieure der englischen Flotte inspizierten den alten Dampfer von vorn bis achtern, um jedes Leck zu dichten, den Motor zu überholen und das ganze Schiff auszubessern. Sanitätertrupps desinfizierten das Schiff bis in den letzten Winkel.
Nach einer ersten Überprüfung teilte man Ari mit, daß es mehrere
Tage dauern werde, ehe die Kinder soweit gekräftigt seien und die Exodus instand gesetzt sei. Schiff und Passagiere konnten erst dann die rund sechsunddreißigstündige Reise nach Palästina überstehen. Die kleine jüdische Gemeinde von Zypern schickte eine Abordnung zu Ari mit der Bitte, er möge den Kindern erlauben, vor der Abfahrt den ersten Abend des kurz bevorstehenden Chanukka-Festes auf Zypern zu feiern. Ari war auch damit einverstanden.
Erst nachdem man Kitty immer wieder versichert hatte, daß Karens Zustand nicht bedrohlich sei, gestattete sie sich den Luxus eines heißen Bades. Sie aß ein dickes Steak, trank einen doppelten Whisky und schlief danach herrlich und tief, siebzehn Stunden lang.
Als sie erwachte, sah sie sich einem Problem gegenüber, dem sie nicht länger ausweichen konnte. Sie mußte sich entscheiden, entweder die Episode mit Karen für immer zu beenden oder dem Mädchen nach Palästina zu folgen.
Als Mark gegen Abend zum Tee in Kittys Zimmer kam, war ihr von den hinter ihr liegenden Strapazen nichts mehr anzusehen. Nach dem langen Schlaf sah sie im Gegenteil ausgesprochen gut aus.
»Im Presseraum noch immer hektischer Betrieb?«
»Nein«, sagte Mark, »nicht mehr. Die Hauptleute und die Könige sind im Aufbruch. Die Exodus ist eine Neuigkeit von vorgestern. Na, ich nehme an, daß wir noch einen letzten Bericht auf der ersten Seite herausschlagen können, wenn das Schiff in Haifa landet.«
»Die Menschen sind treulos.«
»Nein, Kitty, das sind sie nicht. Aber die Welt hat nun einmal die Angewohnheit, sich weiterzudrehen.«
Kitty nahm einen Schluck von ihrem Tee und versank in Schweigen. Mark steckte sich eine Zigarette an und legte die Füße auf das Fensterbrett. Er tat, als wären seine Finger eine Pistole, mit der er über die Spitzen seiner Schuhe auf die Pier zielte.
»Und was hast du jetzt vor, Mark?«
»Ich? Der alte Mark Parker ist in den Domänen Seiner Majestät nicht mehr gern gesehen. Ich gehe zunächst in die Staaten zurück, und dann mache ich vielleicht mal einen Abstecher nach Asien. Das hat mich sowieso schon immer
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