Exodus
der Hagana von Jerusalem entgegen. Alles zusammen ergab eine verzweifelt schwierige Situation, die es dem Kommandeur der Hagana praktisch unmöglich machte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Das schöne Jerusalem wurde zu einem blutigen Schlachtfeld. Die Ägypter griffen von Süden her an, belegten die Stadt mit Artilleriefeuer und ließen sie von ihren Flugzeugen bombardieren. Die Arabische Legion machte die heiligen Mauern der Altstadt zum kriegerischen Bollwerk. Die Zahl der jüdischen Verluste stieg in die Tausende.
Als die Arabische Legion das Teggart-Fort von Latrun besetzte, versprach sie, das Wasserwerk weiter in Betrieb zu halten, damit der Trinkwasserbedarf der Zivilbevölkerung gedeckt werden könne. Doch statt sich an ihr Versprechen zu halten, sprengten die Araber die Pumpstation und legten die Wasserversorgung lahm.
Man wußte, daß unter der Stadt zwei- bis dreitausend Jahre alte Zisternen lagen. Die Juden legten sie frei und entdeckten, daß diese uralten Zisternen wie durch ein Wunder noch immer Wasser enthielten.
Bis eine notdürftige Wasserleitung gebaut werden konnte, war es allein das Wasser dieser Zisternen, das die Juden vor dem Verdursten bewahrte.
Die Tage wurden zu Wochen und die Wochen zu Monaten, und noch immer hielt Jerusalem aus. Tag für Tag traten Männer, Frauen und Kinder zum Kampfe an, mit einer mutigen Entschlossenheit, die durch nichts zu brechen war.
Gleichzeitig mit der Legion drang der arabische Mob in die Altstadt ein, zerstörte Synagogen und heilige Stätten und plünderte jedes jüdische Haus, das ihm in die Hände fiel.
Die frommen Juden und ihre Verteidiger von der Hagana und von den Makkabäern wurden weiter und weiter zurückgedrängt, bis sich nur noch zwei Gebäude in ihrer Hand befanden. Es konnte sich nur
noch um Tage handeln, bis sie samt und sonders vernichtet waren. Jordana wurde wach durch das Licht des neuen Tages. Sie reckte sich und streckte die Hand nach David aus. Er war nicht da.
Als sie erschreckt die Augen öffnete, sah sie, daß er am Bettrand stand und sich über sie beugte. Er trug zum erstenmal die Uniform der Armee des Staates Israel. Sie lächelte und ließ den Kopf auf das Kissen sinken. Er kniete sich zu ihr und strich über ihr rotes Haar. »Ich habe dich eine Stunde lang angesehen«, sagte er. »Du siehst sehr schön aus im Schlaf.«
Sie öffnete die Arme, zog ihn an sich und küßte ihn. »Schalom, Major Ben Ami«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
»Es ist spät, mein Liebes«, sagte er. »Ich muß fort.«
»Ich ziehe mich schnell an«, sagte sie.
»Ich glaube, es ist besser, ich gehe jetzt gleich und allein.«
Jordana stockte das Herz. Für den Bruchteil einer Sekunde meinte sie, ihn fassen, ihn halten zu müssen; doch dann beherrschte sie sich und lächelte.
»Ja, natürlich, Liebster«, sagte sie.
»Ich liebe dich, Jordana.«
»Schalom, David. Geh jetzt — bitte geh rasch.«
Sie drehte das Gesicht zur Wand und fühlte seinen Kuß auf ihrer Wange. Und dann hörte sie, wie die Tür geschlossen wurde.
»David, David«, flüsterte sie. »Bitte komm zu mir zurück.«
Avidan fuhr mit David ben Ami zur Wohnung des Generalstabschefs Ben Zion, die in der Nähe des Hauptquartiers lag. General Ben Zion war ein Mann von einunddreißig Jahren. Er stammte gleichfalls aus Jerusalem. Bei ihm befand sich sein Adjutant, Major Altermann.
»Avidan hat uns mitgeteilt, Sie hätten uns einen interessanten Vorschlag zu machen«, sagte Altermann.
»Ja«, antwortete David. »Es handelt sich um Jerusalem. Das Schicksal der Stadt beschäftigt mich seit Monaten.«
Ben Zion nickte. Er hatte seine Frau, seine Kinder und seine Eltern in Jerusalem.
»Wir haben die Straße bis nach Latrun ziemlich fest in unserer Hand«, fuhr David fort. »Hinter Latrun, im Bab el Wad, beherrscht der Palmach fast alle wichtigen Höhenstellungen.«
»Daß Latrun das entscheidende Hindernis ist, ist für uns alle nichts Neues«, sagte Altermann ironisch.
»Lassen Sie ihn ausreden«, sagte Ben Zion scharf.
»Ich habe über die Sache nachgedacht«, sagte David. »Ich kenne die Gegend bei Latrun so genau wie das Lächeln meiner Mutter. Monatelang habe ich in Gedanken die Strecke abgeschritten, immer wieder, Meter um Meter. Ich bin fest davon überzeugt, daß es möglich ist, Latrun zu umgehen.«
Einen Augenblick lang herrschte verblüfftes Schweigen.
»Was wollen Sie damit sagen?« fragte Ben Zion.
»Wenn man einen Bogen um Latrun schlägt, so beträgt die
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