Exodus
britischen Armee und hatte irgendeinen Geheimauftrag. Was es genau war, weiß ich nicht. Nach Kriegsende tauchte er dann an den verschiedensten Stellen in Europa auf, um Waffen zu kaufen und illegale Einwanderer nach Palästina zu schmuggeln.«
»Glaubst du im Ernst, dieser absolut phantastische Plan, den er da hat, könnte gelingen?«
»Er ist ein schlauer Bursche.«
»Ja, das muß ich allerdings sagen — dieser Ben Kanaan ist anders als alle Juden, die ich je kennengelernt habe. Du weißt schon, was ich meine. Man stellt sich ja, wenn man an Juden denkt, nicht gerade Leute mit Fähigkeiten vor, wie er sie hat — denkt nicht an Athleten, tollkühne Draufgänger — und dergleichen.«
»So? Und wie sieht die Vorstellung denn aus, Kitty, die du von den Juden hast? Vielleicht hast du noch diese alten Vorstellungen wie sie bei uns zu Hause üblich waren: ... der kleine Judenjunge namens Maury heiratet ein kleines Judenmädchen namens Sadie ...«
»Ach, hör doch auf, Mark! Ich habe schließlich lange genug mit jüdischen Ärzten gearbeitet, um zu wissen, daß die Juden arrogante und aggressive Leute sind. Sie fühlen sich erhaben und blicken auf uns herab.«
»Herabsehen? — Wohl mit einem Minderwertigkeitskomplex?«
»Das würde ich dir abnehmen, wenn hier die Rede von Deutschland wäre.«
»Was willst du eigentlich sagen, Kitty — daß wir reinrassig sind?«
»Ich will nur sagen, daß kein amerikanischer Jude mit einem Neger oder einem Mexikaner oder einem Indianer tauschen würde.«
»Und ich sage dir, daß man einen Menschen nicht zu lynchen braucht, um ihm das Herz aus dem Leibe zu reißen. Oh, ja, die amerikanischen Juden haben es gut, aber daß eine große Anzahl von Leuten so denkt wie du, und daß die Juden zweitausend Jahre lang der Sündenbock gewesen sind, das hat auf sie abgefärbt.
Warum diskutierst du darüber nicht mit Ben Kanaan? Er scheint zu wissen, wie man mit dir umgehen muß.«
Kitty richtete sich wütend vom Bett auf. Doch dann fingen beide zu lachen an. Sie konnten nicht ernstlich böse miteinander sein.
»Sag mal, Mark, was bedeutet das eigentlich: Mossad Aliyah Bet?« »Das Wort ,Aliyah' bedeutet Aufstieg. Wenn ein Jude nach Palästina geht, so bezeichnet man das immer als eine ,Aliyah' — als Aufstieg. Aleph, das ist der Buchstabe A, bezeichnet die legale Einwanderung, und Bet, also der Buchstabe B, die illegale Einwanderung. Mossad Aliyah Bet heißt also alles in allem: Illegale Einwanderungs-Organisation.«
»Du lieber Gott«, sagte Kitty lächelnd, »was für eine logische Sprache das Hebräische ist.«
Die nächsten beiden Tage war Kitty verwirrt und unruhig. Sie wollte sich nicht eingestehen, daß sie den Wunsch hatte, den Riesen aus Palästina wiederzusehen. Mark spürte genau, was mit ihr los war, doch er ließ sich nichts anmerken und tat, als hätte es einen Ben Kanaan überhaupt nicht gegeben.
Sie wußte nicht genau, was sie beunruhigte; sie stellte nur fest, daß Ben Kanaans Besuch einen starken und nachhaltigen Eindruck auf sie gemacht hatte. Lag das an dem amerikanischen Gewissen, über das Ben Kanaan so genau Bescheid wußte, oder bereute sie ihre unkontrollierte, antisemitische Reaktion?
Ganz beiläufig, oder vielmehr doch nicht so ganz beiläufig, fragte sie Mark, wann er Ari wiedersehen werde. Ein andermal winkte sie ziemlich deutlich mit dem Zaunpfahl, indem sie sagte, daß es ihr Spaß machen würde, mit Mark nach Famagusta zu fahren, um die Stadt zu besichtigen. Dann wieder wurde sie böse über sich selbst und beschloß, überhaupt nicht mehr an Ari zu denken.
Am Abend des dritten Tages konnte Mark durch die Verbindungstür hören, wie Kitty unruhig in ihrem Zimmer auf und ab ging. Sie setzte sich in einen Sessel, rauchte im Dunkeln eine Zigarette und war entschlossen, sich über die ganze Sache vernünftig klar zu werden.
Es behagte ihr nicht, daß sie gegen ihren Willen in die seltsam fremde Welt hineingezogen werden sollte, in der Ben Kanaan lebte. Ihr ganzes Leben lang war sie stets vernünftig, ja sogar berechnend vorgegangen. »Kitty ist ein so verständiges Mädchen«, hatte man immer von ihr gesagt.
Als sie in Tom Fremont verliebt war und beschlossen hatte, ihn für sich zu gewinnen, hatte sie nach einem genau überlegten Plan gehandelt. Sie führte einen vernünftigen Haushalt und wirtschaftete vernünftig. Sie faßte den Plan, ihr Kind im Frühjahr zu bekommen, und das war auch vernünftig gewesen. Sie hütete sich, momentanen Eingebungen
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