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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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auffälliges, kühn geschwungenes Brillen­gestell mit dicken Gläsern. Sie hatte einen schönen, vollen und ständig offenen Mund. Sie hielt sich für eine begnadete Sängerin. Wenn wir auf dem Schulklo Hosen tauschten – sie war versessen darauf, ständig Kleidungsstücke auszutauschen, und verließ das Schul­gebäude selten so, wie sie es am Morgen betreten hatte – kreischte sie mir ihre Songs, meistens Pophymnen der 80er Jahre, ins Ohr.
    Kat ist ein Klischee. Vielleicht hätte ich doch darauf verzichten sollen, all diese zuckrigen Worte in Sätze zu schmelzen? Jetzt karamellisieren sie hier und verkleben die Seiten.
    Wer Kat erleben will, kann sich den Umweg über diese Zeilen sparen und einfach beim nächsten Einkauf vor dem Süßwarenregal stehenbleiben, sich eine Packung Smarties (viele, viele bunte) und eine Tüte Skittles (taste the rainbow) herausnehmen und sich intensiv der Betrachtung von Produktdesign und Inhaltsstoffen widmen – das wäre dann ihre äußere Erscheinung.
    Will man tiefer in ihr Wesen eindringen, etwas über ihren Charakter erfahren, so sollte man eine Packung kaufen, eine andere aber stehlen; anschließend die gekaufte Packung ungeöffnet in den nächstbesten öffentlichen Mülleimer werfen, während man sich den Inhalt der gestohlenen, schon aufgerissenen Packung entweder mit beiden Händen in den Mund schaufelt, oder wahlweise eine einzelne, bunte Zuckerkugel minutenlang andächtig in der Daumen- und-Zeigefinger-Zange hält, bevor man sie vorsichtig, als handle es sich um den Leib Christi, mit der Zunge empfängt, um sie genüss lich aufzulutschen. Unter Umständen motiviert der Zucker den Lutschenden zu tänzerischen Zuckungen, was wiederum die Stimmbänder zum Vibrieren bringen könnte …
    Mehr braucht es nicht, um Kat zu kennen. Kat aus Kamloops. (Fruitloops).

2.
    Ich beziehe ein Zimmer in der Fir Street, ästhetisch gesehen ein Rück schritt, in Sachen persönlicher Freiheit jedoch ein gewaltiger Fortschritt. Der VW-Bus war für mich ohnehin kein »Design­klassiker«, sondern schlicht Schlafplatz. Eine entlegene, eiskalte Schlafstätte, von der ich mich bereits um 5.30 Uhr aufrappeln musste, um 6.10 Uhr in den Schulbus zu steigen und zwei Stunden Fahrt durch den Busch auf mich zu nehmen, wenn ich pünktlich zum Unterricht erscheinen wollte. (Ob ich »wollte« oder nicht, war allerdings keine Entscheidung, die ich hätte treffen dürfen. Ich musste).
    Wenn Himmel und Horizont weit und das Elternhaus noch weiter entfernt sind, entwickelt man schnell ein Bewusstsein für die Zwänge, für die »musts«, denen man unterliegt. Man bildet Widerstände und einen Abscheu gegen die Gönnerhaftigkeit aus, mit der Aufsichtspersonen und Erziehungsberechtigte »Freiheiten« und »Privilegien« zuteilen oder vorenthalten. Was man als sein gutes Recht auf Freiheit ansieht, stellt sich als »Privileg«, das man »genießt«, heraus. Den volljährigen Machthabern gänzlich ausgeliefert sieht man sich mit dem Unterschied zwischen Recht und Privileg konfrontiert, der offensichtlich darin besteht, dass Privilegien entzogen werden können.
    In der Hoffnung, meinen Freiheitsdrang mehr oder weniger konfliktfrei ausleben zu können, ziehe ich also in das schrecklich möblierte, dunkelbraune Zimmer im ersten Stock eines gelben, zwei­stöckigen Holzhauses und kritzle »des Menschen Wille ist sein Himmelreich« auf Hefte, Ordner, Rücksäcke und Klowände, den schwarzen 3000er Edding stets griffbereit.
    Es wird Oktober. Das Thermometer zeigt 20 Grad unter null. Die öffentlichen Verkehrsmittel streiken, und ich kann nirgends hinfahren, geschweige denn laufen. Die Wochenenden sind unendlich lang. Ich sitze in der Falle; einer dunkelbraun möblierten Falle. In meiner Verzweiflung nehme ich mir das Oxford English Lexikon vor und fange bei A an:
    abandon, abandoned (ich),
ability,
able (nichts kann man tun, nichts!),
about,
above,
abroad (ich),
absence (of friends and family),
absent,
absolute (solitude),
absolutely,
absorb (these words),
abuse,
academic,
accent (trying to loose mine),
acceptable ( NOT !), accept (I won’t!),
access,
accident ⁠…
    Ich lerne, lese und kommentiere, bis alle Wörter ununterscheidbar und die Kopfschmerzen unerträglich werden. Und Liegestütze! ­Liegestütze, bis meine Arme zitternd nachgeben, und ich schweratmend mit dem Gesicht voran in den widerlich stinkenden, abscheulich gemusterten Teppich falle.
    Zwischenzeitlich schalte ich den kleinen Fernseher ein und spreche

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