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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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gebärdet sich unverändert.
    Mit der Handkante baue ich am Stirnansatz einen Damm und dränge die welligen Strähnen zurück:
    Noch immer kein Kainsmal.

05.06.2001
    2:18 AM
    Ich liege hellwach auf der Tagesdecke.
    2:20 AM
    Ich ertaste die Nachttischlampe. Die Zimmerecke wird gelb. Ich stehe auf und ziehe mich an. Heute Nacht will ich nicht träumen.
    Als es dämmert schleiche ich auf die Veranda und zünde meine letzte »Export A« an.
    Ich denke über den kleinen Handspiegel nach. Er hat mir nichts gezeigt. Ich weiß nicht, was die anderen sehen. Ein gefährlicher Zustand. Wo ist der Helm, wo das Visier, das ich zuklappen kann, wenn sie meine Augen suchen?
    Schwere stülpt sich über meinen Kopf, und ich frage mich, ob diese Schwere die Tarnkappe sein wird, die mich vor neugierigen Blicken schützt.
    Ein Leben in Unsichtbarkeit. Maximaler Schutz, maximale Einsamkeit. Keine Ahnung, ob ich das ertragen werde. Ich setze die Kopfhörer auf und drücke die Play-Taste.
    »⁠… there’s a feeling I get, when I look to the west and my spirit is crying for leaving. And a new day will dawn for those who stand long and the forests will echo with laughter. Remember laughter? ⁠…«
    Mit der Schuhspitze grabe ich ein kleines Loch und beerdige den Zigarettenstummel.
    Die Sonne, ein unerwünschtes, kümmerliches Scheibchen, tritt über die Schwelle des Horizonts. Widerwillig ergibt sich der Himmel und wird hell.

50.
    Das Taxi hält vor dem Terminal des Whitehorse Airport.
    Ich bezahle.
    Der Fahrer kurbelt das Fenster runter, steckt sich einen Zigarillo an und beobachtet durch den Rückspiegel, wie ich mein Gepäck aus dem Kofferraum hieve. Arschloch.
    Mit meinem Koffer humple ich schwerfällig auf den Eingang zu.
    Automatisch auseinandergleitende Glastüren zerreißen mein Spiegelbild wie Rumpelstilzchen.
    Das Flughafengebäude, flach, rechteckig, klein, wirkt, als hätte man es aus dem Bodensatz einer Lego-Kiste zusammengebaut. Die Innenausstattung besteht aus einem Gepäckband, einem Geschenke-Shop und einem Cafe – dann waren die Steine alle.
    Nachdem ich mein Gepäck losgeworden bin, stelle ich mich an ein Fenster und beobachte die Flugzeuge beim Einparken.
    Jemand tippt mir auf die Schulter.
    Es ist Bernie.
    »Hey! What a surprise!«
    Verlegen zuckt er mit den Schultern.
    Über uns knarzt eine Frauenstimme aus den Lautsprechern:
    »Do not leave your luggage unattended!«
    Ich deute mit den Fingern Richtung Decke und grinse.
    »They already know you’re here, eh?«
    Wir lassen uns von einer wasserstoffblonden Bedienung zwei Kaffee in Pappbecher füllen und spazieren hinaus auf den Parkplatz.
    Bernie wirkt nervös. Er atmet hörbar ein und überwindet sich zu sprechen. Unsicher und zögerlich, als würde er ein Gedicht rezitieren, das er nicht vollständig auswendig kann, trägt er seinen Text vor.
    »Before you leave ⁠… I wanted to ask you something. You don’t have to answer ⁠… It’s just – I can’t stop thinking about it ⁠…«
    »What is it?«
    »You remember that note I gave you?«
    »Which note?«
    »From Kyle.«
    Ich drehe mich um. Meine Füße steuern auf das Flughafengebäude zu. Bernie kommt mir nach. Er hält mich am Ärmel fest.
    »Wait! Please, wait!«
    Er steht dicht hinter mir, die Hand auf meiner Schulter. Seine Stimme ist ein aufgeregtes Flüstern.
    »I ⁠… I saw him! He came out of your room ⁠… What ⁠… Why ⁠… I mean – fuck, I knew there was something wrong! I knew it right away! It’s just that ⁠… I was so fucking hammered that night and I thought, I don’t know, maybe this is some kind of bad trip, maybe I’m dreaming, maybe this is just a huge misunderstandig ⁠…
    I heard you were up and I wanted to go down and talk to you, but then ⁠… fuck, I – I still remember the look in your eyes when you came out of that bathroom. I’m ⁠… I’m so sorry.«
    Ich schüttle seine Hand ab. Das Schweigen zwischen uns verfestigt sich. Der Minutenzeiger der Flughafenuhr rutscht vorwärts; einmal, zweimal. Nach dem dritten Mal schiebt sich Bernie in meinen rechten Augenwinkel.
    »All I want to say is ⁠… He got what he deserved. I don’t know, who did it, but I wish it was me.«
    Meine Schneidezähne beißen in zitterndes Unterlippenfleisch.
    Ich nehme Bernies Hand, wende den Kopf und lasse mir die Antworten von den Augen ablesen.
    Als mein Flug aufgerufen wird, umarmen wir uns ein letztes Mal.
    »Take care, german sailor«, krächzt es neben meinem Ohr.
    Dann

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