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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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vielleicht auch nicht, denn das würde bedeuten, drei Stunden auf Englisch Konversation zu machen, da kann ich nur verlieren. Als wir an der Bugtür angekommen sind, hasten alle drei schnurstracks die Treppe rauf; sehr gut, sie denken, dass ich schon mal mit so einem Ding geflogen bin. Ich versuche, sie nicht zu enttäuschen, indem ich zügig das kleine Einstiegstreppchen erklimme, auf dem ein paar Tautropfen glänzen. Jetzt bloß nicht ausrutschen oder den Kopf stoßen! In der Kabine herrscht Hektik. Zwischen schummrigen Leselampen werden Mäntel herumgewedelt, Koffer unter den Sitz geschoben, Rechner hochgefahren. Ist doch etwas enger als in einer normalen Linienmaschine. In jeder Reihe steht links und rechts jeweils nur ein großer Ledersitz, dazwischen verläuft ein Gang, durch den man nur passt, wenn man sich ein bisschen zur Seite dreht. Niemand scheint es für nötig zu halten, mir, dem Außenseiter irgendwas zu erklären oder mich überhaupt zu beachten. Im Grunde genommen schmeichelt es mir, wie ein normales Mitglied des Teams behandelt zu werden; andererseits bedeutet das Befehlsvakuum. dass ich immer noch wie ein nicht abgeholtes Paket an der Tür stehe und wahrscheinlich ziemlich hilflos aussehe.
    »Excuse me.«
    Ein rothaariger Typ mit einem kurzärmeligen weißen Hemd quetscht sich wenige Zentimeter vor mir vorbei.
    »Saunders, Royal Air Force, retired. You better buckle up, Sir. They've only got 2200 meters of tarmac in Bykovo«, sagt er und fügt lachend hinzu, »If it gets any shorter we'd have to take the Harrier«, Zack, und schon ist er hinter der Cockpit-Tür verschwunden. Nach einer langen Minute schließlich haben sich alle installiert - bis auf mich. Ich parke mit eingezogenem Kopf immer noch am Eingang, was langsam peinlich wird, da sich Andie mittlerweile direkt auf den Platz vor meinen Füßen gesetzt hat und die Spitzen ihrer schwarzen Ballerinas fast an meine Chucks stoßen. Ihr Gesichtsausdruck erinnert mich an den Blick meiner Schwester, wenn sie mir zu Weihnachten etwas ganz Tolles besorgt hat und ich gerade die letzte Schicht Geschenkpapier abpelle. Ob es ihm, dem Komplizierten, gefällt? lch lächele zurück und schaue mich in der Maschine um. Auf einmal wird klar, warum Andie mich so angesehen hat. Da sitzt er also, in seinem Sessel ganz am Ende der dröhnenden Röhre, die Beine lässig übereinandergeschlagen. als ob er nur gerade kurz zum Bezahlen in der Tankstelle war und darauf wartet' dass ich den Zündschlüssel rumdrehe und die Fahrt weitergeht. Geradeaus, immer weiter auf dem dunklen Highway. Nick, der Arsch. Sie haben ihn also auch einkassiert. Oder wusste er vielleicht schon früher Bescheid, und er hat die ganze Fahrt über nur gespielt? Nein, das könnte er niemals, dafür ist er ein viel zu schlechter Schauspieler. Sie müssen ihn in L.A. erwischt haben, oder vielleicht bei der Landung in Frankfurt? Ganz ruhig, Alter, kein Grund, uncool zu werden. Betont lässig zwänge ich mich von Reihe zu Reihe zu ihm durch. Er grinst wie ein Zehnjähriger, der seinen Vater dazu bekommen hat, ihm zu Silvester eine eigene Packung Knallfrösche zu kaufen. Mit jedem Zentimeter fällt es auch mir schwerer, mein Grinsen unter Kontrolle zu halten. Nick dagegen versucht gar nicht erst, lässig zu sein, sondern ruft schon über zwei Sitzreihen hinweg: »Station Commander. You will lead your commandos on a virtual suicide mission.«
    Raid over Moscow , der Vorspann, er hat sich den Text gemerkt. Den ganzen natürlich. Ich zwänge mich durch die letzte Reihe.
    »Good luck on your mission, Commander«, ergänze ich und halte ihm die Hand hin. Er steht auf und schlägt ein, mit dem Daumen nach oben. Geek-Wiedervereinigung.
    »Schön, dass du dabei bist«, sagt er, und ich weiß, dass er es ernst meint.
    »Dito«, antworte ich. Genug cool gewesen. Wir hauen uns gegenseitig auf den Rücken, und ich lasse mich in den Sitz neben ihm fallen, der so bequem ist wie einer dieser amerikanischen Fernsehsessel. Ich schaue rüber. Nick hat die Datacorp anscheinend mehr Zeit zum Anziehen gegeben: Mit dem leicht geöffneten schwarzen Hemd und der Nadelstreifenhose sieht er aus, als würde er bei einer Werbeagentur arbeiten oder irgendwo im Marketing. Genauer gesagt habe ich ihn in den letzten zehn Jahren nicht so gut angezogen gesehen. Auch mit seinen Haaren hat er irgendwas gemacht, sie wirken kürzer und ich habe den Verdacht, er hat sogar irgendein Styling-Produkt außer einem Kamm benutzt; man könnte

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