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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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können, das wollte ich auch immer, weißt du?

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    Es ist genau halb zehn, als wir aus dem Bahnhof kommen. Wir knöpfen die Sakkos zu und schlängeln uns zwischen den Taxis auf den Vorplatz durch. Auf einmal hört der Schatten auf, und mit ihm der Winter: Die Sonne grillt von oben so freundlich runter wie seit Monaten nicht mehr; im Nacken fühlt es sich fast so warm an, als würde man unter einem Heizstrahler im Biergarten sitzen. Noch ist alles neu und ungewohnt, die Leute laufen langsam, als müssten sie sich nach einem langen Winterschlaf erst mal aufwärmen. Der Vorplatz ist so leergefegt wie eine Dorfstraße am Sonntagvormittag, wenn der Fußballverein auswärts spielt. Wir bleiben kurz stehen und lassen eine Straßenbahn vorbeirattern. Es ist eines dieser alten, taxigelb lackierten Modelle mit runden Scheinwerfern. Der Himmel über der Oberleitung strahlt mit dem Schöller-Fähnchen um die Wette, das der Kiosk in der Mitte des Platzes rausgehängt hat. Der Besitzer, ein alter Mann mit Schiebermütze, hockt zufrieden hinter seinem Fensterchen und wartet darauf, dass die Schüler große Pause haben. Alles sieht danach aus, als könnte es dieser magische erste Frühlingstag werden, an dem alle Leute wie irrsinnig Weizen in sich hineinschütten, mit Baseballkappe und voll aufgedrehter Sitzheizung Cabrio fahren oder auf der Straße tanzen, zumindest wenn Kevin Bacon in der Szene mitspielt. Einfach nur weil es wieder geht. Es ist der perfekte Tag, um sich zu verlieben, den zweiten Knopf oben am Hemd aufzumachen oder auf der Straße Jack Johnson zu hören. Wir werden ihn damit verbringen, in einem abgedunkelten fensterlosen Raum zu sitzen und alten Männern dabei zuzuhören, wie sie über Computer schwadronieren, was zumindest nach Nicks Definition ein perfekter Tag ist. Denn für ihn existiert so was wie Wetter gar nicht. Schlimmer noch: Er sitzt gerne bei so einem Kaiserwetter drinnen - und das nervt irrsinnig. Deshalb mache ich ein paar Sachen, von denen ich weiß, dass sie ihn irrsinnig nerven, zum Beispiel beim ersten Sonnenkontakt das Jackett ausziehen und die Hemdsärmel hochkrempeln. Der Beifahrer schluckt den Köder und schaut missbilligend rüber, sofern sich das durch seine dunkle, mittlerweile völlig unmodische Oakley-Sonnenbrille erkennen lässt. So, als wollte er sagen: »Aha, der Herr macht auf Casual Friday!«
    Als Retourkutsche zupft er demonstrativ seine Manschetten unten aus dem Sakkoärmel raus und macht gleichzeitig mit seinem Kinn eine völlig alberne Bewegung, die wohl den Hemdkragen justieren soll. Er ist so verdammt glücklich darüber, jetzt auch endlich »Business-Zeugs«, wie er sagt, anziehen zu dürfen. Deshalb kann man ihm seine neue Liebe zur Korrektheit nicht wirklich übel nehmen. Und korrekt sieht er heute wirklich mal wieder aus, einfach vorbildlich, der Beifahrer: Sein hellblaues Button-down-Hemd knarrt vor lauter Sprühstärke und steht oben genau einen Knopf auf - so wie bei allen in der Firma. Kein Härchen verschandelt den dunkel grauen Flanellanzug, und sogar die Absätze seiner Schuhe glänzen, als hätte er sie stundenlang poliert, was er sicher auch getan hat. Es ist halt wie in der Kirche: Je später die Leute eintreten, desto genauer nehmen sie die ganze Sache. Das T-Shirt mit dem Pinguin Tux vorne drauf hat Nick vorletztes Jahr, nachdem er den Anzug-Äquator überschreiten durfte, wahrscheinlich rituell verbrannt. Doch eigentlich ist der Tag zu schade für Zickereien, also lasse ich die Kleidungsfrage auf sich beruhen.
    »Cause everybody knows it's spring again.«
    Jawohl, Herr BizMarkie, der Frühling kommt, und damit leider auch die Legacy Systems Conference, in der Branche LegaSys abgekürzt - eine Messe mitten im alten Europa, für alte Menschen, die sich mit alten Rechnern beschäftigen und die Zukunft lieber anderen überlassen. Ein sehr lästiger Pflichttermin, zumal bei dem Wetter. Also ist Zeitspiel angesagt. Immer schön links und rechts gucken, bevor man über die Straßenbahnschienen geht - könnte ja ein Kind in der Nähe sein! Kurz anhalten, Rechnertasche abstellen, Tragehand wechseln, weiterlaufen. Am Kiosk extra langsam vorbeilaufen und die Eiskarte scannen. Ich schubse Nick an.
    »Guck mal, Ed von Schleck gibt's immer noch, lustig.«
    Der Feind von Tageslicht und Sonne schubst genervt zurück.
    »Mach mal hin. Ey, ich will echt nicht wieder den Anfang verpassen. «
    Dabei ist der Weg vom Bahnhof zur LegaSys das Beste an dem Trip. Man muss nämlich

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