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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Wäre keine Überraschung, wenn aus dem Kanal nebenan hin und wieder ein paar Blutegel, Piranhas oder was auch immer hierher rübermachen. Nick kniet in der Mitte des Zimmers. Richtig gewohnt hat hier sicher noch nie jemand: Die Wände sind kahl, keine schwarzen Ränder verraten unlängst weggerückte Möbel, keine Kleidungsstücke liegen herum, keine persönlichen Gegenstände, nichts, was auf einen Menschen hindeuten könnte. Nur Papiere, Stapel von Papieren. An den Wänden türmen sich die Bücher und Akten hüfthoch. Einige der Stapel sind umgefallen, haben andere Ordner mitgerissen oder sie unter sich begraben. Als ob ein Wahnsinniger getobt hat. Oder vielleicht auch nicht. Denn von der Tür bis zur Mitte des Zimmers hat dieser jemand mit analfixierter Präzision einen Gang frei gelassen, der genau so breit ist, dass man bequem an alle Papiere rankommt. Vielleicht steckt hinter den Stapeln ja doch das ausgeklügelte Archivsystem eines Genies. Nicht genial war zumindest die Idee, Papierdokumente auf dem Boden einer unklimatisierten Wohnung in den Tropen aufzubewahren. Als ich versuche, ein Blatt aufzuheben, klebt hinten gleich noch eine halbe Akte dran. So modrig, wie das Zeug riecht, dürfte es bald völlig verschimmelt sein. Wann der Hausherr wohl das letzte Mal hier war - direkt vor der LegaSys? Ich schaue mir die Akte an: Auf dem Deckblatt steht »High Performance Microchip Supply«, darunter prangt das Siegel des US-Verteidigungsministeriums. Oh Mann, Irving war wirklich ein Insider, Nick hat keinen Scheiß erzählt.
    »Schon was gefunden?«, flüstere ich zum Boden runter.
    »Nichts, nur tote Bäume.«
    Seine Abneigung gegen Papier wird nach diesem Erlebnis ins Unermessliche steigen. Worum es in all den Dokumenten wohl geht? Manche Papiere sehen wie Schaltpläne aus, andere wie Blaupausen oder Platinenlayouts. Und dazwischen immer wieder offiziell aussehende Akten, manche sogar mit dem roten Confidential-Stempel drauf - genau wie auf dem Kram, den der Beifahrer immer präsentiert, wenn er mal wieder eine seiner Verschwörungstheorien untermauern will. Alles sei »absolut authentische« lautet dazu seine Standardfloskel. Der Müll hier ist allerdings wirklich authentisch, genau da liegt das Problem .
    »Ich habe ein verdammt mieses Gefühl bei der Sache«, sage ich und meine die Phrase zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wirklich ernst.
    »Ich auch«, spricht Nick geistesabwesend vor sich hin. Alles klar: Sein Hirn hat längst mit der Auswertung des Materials begonnen. Mister Kana: Was sagt Computer? Eines ist jetzt schon klar: Unsere Mission können wir hier auch nicht erfüllen. Auf den ersten Blick ist nichts Elektronisches in dem Raum zu erkennen, und selbst wenn zwischen all dem feuchten Papier eine Diskette klemmen sollte, wäre sie unter Garantie nicht mehr lesbar. Nein, ein Profi wie Irving würde diesen Fehler nicht begehen. Was ist das? Ich schiebe zwei Zeitungsstapel auseinander, dazwischen liegt eine alte Musikkassette auf dem Boden. Ordentlich, ordentlich, jemand hat penibel genau einen Aufkleber draufgemacht und ihn mit elektrischer Schreibmaschine beschriftet: Dad's Lair Schriftart Courier, wahrscheinlich auf einer IBM Selectric getippt. Vaters Höhle, wie poetisch. Ob sich das auf diese Bude bezieht? Stolz halte ich das Tape hoch: »Schau mal!«
    Nick schaut nur kurz hoch: »Hm ...«
    Dann rasen seine Augen wieder über das Papierstück in seiner Hand. In diesem Moment hören wir den Motor.

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    Noch ist es nur ein fernes Grummeln, der Wagen muss noch weit weg sein. Doch das Motorengeräusch ist da, und das reicht. Ich schnappe das Tape und springe raus auf den Gang. Shit, wirklich: Ein schwarzer Geländewagen biegt hinten um die Straßenecke. Noch ist er einen ganzen Block weit weg, doch selbst auf die Entfernung hallt der V8 schon bedrohlich laut durch die Häuserschlucht. Anders als das klapprige Taxi, mit dem wir gekommen sind, gleitet er unbeeindruckt über die Schlaglöcher hinweg; seine Reifen sind so groß, dass die Karosserie nicht mal wackelt. Wo ist Nick? Ich drehe mich um. Er kauert immer noch in der Mitte des Archivs. Hallo? Aufwachen?
    »Da kommt einer!«
    Seelenruhig blättert er weiter.
    »Sicher?«
    »Voll sicher. Komm!«
    Genervt schaut er hoch. Erst als er meinen Alarm-Blick sieht, merkt er, dass die Sache ernst ist, und reagiert. Mit einer schnellen Bewegung rafft er so viele Papiere, wie er nur kann, zusammen und stopft sie unter den Arm. Ich schnappe meinen

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