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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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echt da rein?«
    Am Gesichtsausdruck des Beifahrers lässt sich ablesen, dass auch er eine Scheißangst hat und keineswegs lockerflockig in die Bude marschieren will, zumal ja gar nicht klar ist, welche Sprengfallen da auf uns warten. Aber wer einmal den Helden gemimt hat, muss ihn halt auch weiter mimen.
    »Warum nicht?«, erwidert er gespielt beiläufig.
    »Ist das nicht Hausfriedensbruch oder so?«
    »Warum? Wir haben doch ganz regulär den Code für die Tür eingegeben«, giftet Nick ungeduldig zurück. Ich biege auf die juristische Schiene ab: »Heißt das, man darf in eine Wohnung gehen, nur weil man, sagen wir mal, den Schlüssel unter der Matte gefunden hat?«
    Touché. Wie will er den kontern? Wenn uns beide etwas verbindet, dann ist es die Angst davor, irgendwie anzuecken oder mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Und die wird jedes Jahr ein bisschen schlimmer. Vergessen die Zeiten des lockeren »Es wird schon nichts passieren«.
    Heute reist die Panik mit, und zwar überall und jederzeit: Schon vor der Abreise werden erst mal die Reiseempfehlungen des Auswärtigen Amtes durchgelesen (ich) oder die Zollbestimmungen (Nick). Absolute Pflicht sind natürlich auch die Gesundheitshinweise der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit. Aber der Beifahrer hat sich entschieden, seine Angst idiotischerweise zu überwinden und die Nummer jetzt durchzuziehen.
    »Pass auf. es gehört zu unserem Assignment ...«.
    Assignmentkotz, »... in der Bude nach den fehlenden Datenträgern zu suchen, und das machen wir jetzt auch. John hat sich bei den Angehörigen sicher dafür die Erlaubnis geholt.«
    Wenn das alles so superlegal ist, warum flüstert er dann? Na gut, solange er vorgeht. Ich stelle meinen Dienstrechner ab und beziehe Stellung an der Betonbalustrade gegenüber der Tür.
    »Okay. Ich bleibe hier und sage Bescheid, wenn jemand hochkommt «, flüstere ich rüber. Von hier oben hat man alles im Blick: die Straße, den Kanal. den Dschungel. Von hier aus können wir sie perfekt bestreichen, Colonel Braddock. Genau! Das ist genau die Art von Fluss, aus der gleich Chuck Norris in Zeitlupe auftaucht, während er genüsslich sein ganzes Magazin rausrotzt.
    »Na gut«, grummelt Nick. Sachte schiebt er die Tür ein Stück auf. Ja, mein Freund, ich weiß, wie voll deine Hose jetzt ist. Aber das ist die Strafe dafür, wenn man unbedingt vom Nerdpfad abweichen will. Da musst du jetzt durch. Als ob er es gehört hätte, macht Nick einen forschen Schritt nach vorne. Dann noch einen weniger forschen, und schließlich schleicht er durch die Tür. Klack! Er ist gegen irgendwas getreten. Das Knacken hallt seltsam lange nach. Ohne die Augen von der Auffahrt zu lassen, flüstere ich nach hinten: »Und? Was siehst du?«
    »Wundervolle Dinge.«

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    Zitat Howard Carter, als er das Grab von Tutenchamun zum ersten Mal betreten hat. Seit wann ist Bildungs—Posing erlaubt? Nur Sachen, die irgendwann mal über Leinwand, Monitor oder Glotze geflimmert sind, dürfen auf unseren Trips erwähnt werden! Nick hat doch auch Geschichte in der Elf abgewählt, der Angeber. Wahrscheinlich hat er das Zitat in einer TV-Dokumentation über das alte Ägypten aufgeschnappt. Yeah, genau, wo Mini-Roboter durch versteckte Pyramidengänge fahren. Ich drehe mich um und flüstere hinein: »Was ist denn jetzt?«
    »Komm halt rein!«, sagt Nick fahrlässig laut. Es scheint keine unmittelbare Gefahr zu geben. Doch eigentlich habe ich keine Lust, ihm hinterherzulaufen.
    »Und wer checkt dann die Treppe?«
    Er kennt keine Gnade.
    »Jetzt komm halt rein!«
    Also durchatmen und ... shit! Ein kleiner Gecko schießt unter der Tür durch und rast die Wand im Flur rauf. Nochmal Anlauf nehmen und rein, jetzt führt kein Weg mehr zurück. In der Wohnung steht noch die feuchte Luft des Gewitters von heute morgen, plus der Staub von mehreren Jahren. Irving glaubte wohl nicht an das Konzept Lüften, jedenfalls hat er alle Fenster mit Packpapier zugeklebt, sodass der ganze Raum braun schimmert und genauso aussieht wie ein Ort, an dem sie im Film immer abge-hackte Köpfe finden. Nur an zwei Ecken, wo die improvisierten Papiergardinen gerissen sind, tasten sich Lichtstrahlen wie weiße Finger in den Raum vor. Die Wohnung ist halb so groß wie das Dorint zuhause, vielleicht sogar noch kleiner. Aus dem Badezimmer stinkt es bestialisch. Ich knipse das Licht von außen an: leer, gottseidank keine toten Tiere, nur Stockflecken an den hellgrünen Kacheln.

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