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Extraleben

Extraleben

Titel: Extraleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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wir selbstverständlich nicht einmal nach. Einen Persilschein stellten wir uns dagegen für die Schießstände von Operation Wolf, Operation Thunderbolt und dieses geile Terminator -Spiel aus, obwohl ich mir heute nicht mehr sicher bin, dass wir in den Augen der Ladies vor unseren Plastik- Uzis irgendwie cooler aussahen als auf einem Plastik-Motorradsitz. bei manchen Dingen gibt es eben keine Abstufungen. Ende der Neunziger erreichte der Controller-Wahnsinn seinen vorläufigen Höhepunkt mit der japanischen Dance Dance Revolution , bei dem der Spieler auf einer druckempfindlichen Plattform Tanzschritte nachmachen muss, während er aus den Boxen mit allerschlimmstem J-Pop malträtiert wird. Es ist schwer zu verstehen, warum jemand Geld dafür zahlt, den schlimmsten Albtraum eines jeden Heranwachsenden erleben zu dürfen: alleine tanzen, umringt von einer Menschenmenge. Warum nicht gleich zusammen mit den Eltern im Fernsehen Emanuelle ansehen?
     
    LEVEL 13
     
    Eigentlich hassen wir Restaurants, wo man wie bei McDonald's vorne an der Theke bestellen muss. Zu unruhig. Doch fünf Stunden Fahrt durch die Wüste von Nevada fressen schnell die Prinzipien auf. Also kehren wir nicht sofort um, als wir beim Reinkommen in das Toyabe Café als Erstes die Selbstbedienungstheke sehen, sondern bleiben erst mal in sicherer Distanz stehen und diskutieren, was wir bestellen sollen. Nick kann sich mal wieder nicht entscheiden und wartet wie üblich auf meine Bestellung, um sich dann anzuschließen. »Und, was nimmste?«, fragt er. Ich bin genervt und sage nur: »Geheimnis.« Klar ist das kindisch, aber seine Entscheidungsschwäche beginnt, an meinen Nerven zu zerren. Was würde er ohne mich nur machen? Überhaupt sind wir dafür, dass der Trip gerade mal zur Hälfte rum ist, schon ziemlich on the edge . Gute vier Tage haben wir gebraucht, um vom vermeintlichen Atari-Friedhof hierher zu fahren, und von Tag zu Tag ist das Rumgezicke im Cockpit schlimmer geworden. Mal schmolle ich, weil Nick beim Navigieren gepennt hat und wir eine Straße zurückfahren müssen. Mal streikt er, weil ich es gewagt habe, eine seiner endlosen Geschichten mit »komm mal auf den Punkt« zu unterbrechen. Normalerweise würden wir jetzt eine Runde Rampage zocken  - der perfekte Arcade-Klassiker für zwei passiv-aggressive Nerds, die zu lange auf engem Raum zusammengehockt haben. Das Game vereinigt nämlich genau jene zwei Elemente, die eigentlich für jedes Videospiel gesetzlich vorgeschrieben sein sollten: Sachen kaputtmachen und sich prügeln. Eigentlich liegt der Sinn des Spiels darin, mit einem Riesenmonster eine Stadt in Schutt und Asche zu legen. Man kann entweder King Kong, Godzilla oder ein drittes Tier steuern, von dem wir nicht wissen, wie es aussieht, da wir ja immer nur zu zweit spielen. Mit seinem Vieh muss der Spieler dann so lange auf ein Gebäude einboxen, bis es zusammenbricht, also das Haus. Bis dahin kommen wir allerdings meist nicht, weil wir vollauf damit beschäftigt sind, auf das Monster des Gegners einzudreschen - diese Möglichkeit hat der Programmierer nämlich netterweise auch eingebaut. Ich zimmere mit meinem Gorilla also auf Nicks Dinosaurier ein, oder umgekehrt, bis irgendwann die Zeit abläuft oder wir von angreifenden Hubschraubern abgeschossen werden. Die Hochhäuser haben dabei nie auch nur einen Kratzer abgekriegt. Hat immer ganz gut funktioniert, diese Art von Stellvertreterkrieg. Doch in letzter Zeit sieht es danach aus, als müssten wir uns etwas anderes einfallen lassen, um das Kumpelklima zu entgiften. Denn Rampage -Automaten, Baujahr 1986, sind eine aussterbende Spezies: Die letzte Kiste in freier Wildbahn hatten wir Ende der Neunziger in einer Münzwäscherei im letzten Winkel von Utah gesichtet; seitdem suchen wir vergeblich nach dem ungewöhnlichen Gehäuse mit den drei Joysticks. Für unsere Reisen bedeutet das wohl, dass wir dazu verdammt sind, uns die nächsten wer weiß wie viel Jahre wie ein Ehepaar anzuzicken. Immerhin wird die Landschaft wieder erträglicher. Wir sitzen in unserer auf 20 Grad runtergekühlten Kapsel und gleiten durch den Hitzeplaneten namens Nevada - das gelobte Land, wo man nicht mal mehr Drive- Thru macht, weil es selbst zu heiß ist, das Seitenfenster zum Entgegennehmen der Burger runterzulassen. Ob dieser Planet überhaupt noch in die Klasse M fällt? »Geil: Vegas, Schnaps und Nutten«, hat Nick gebrüllt, als wir über die Staatsgrenzen gerollt sind, wohl wissend, dass nichts davon

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