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Extraleben

Extraleben

Titel: Extraleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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gegenüberliegenden Seite der Maschine die Flughafengebäude vorbeihuschen sehen kann. Ein Dutzend Baracken, dann drei große runde Treibstofftanks und ein paar Häuser. Mehr nicht, dahinter beginnt gleich wieder das endlose Grün. Willkommen im Gewerbegebiet Grönland West. Nach der brütenden Hitze der letzten zwei Wochen hatte ich mich eigentlich schon fast auf einen verhangenen Himmel. Wolken und Kälte gefreut; Wetter eben, bei dem man sich sofort in die Hände hauchen will. Doch daraus wird nichts, denn in Grönland ist jetzt anscheinend Grillsaison. Schon durch das Flugzeugfenster fühlt sich die Sonne wie ein Heizstrahler im Biergarten an. Die Wiese neben der Runway strahlt in sattem Grün, und ein Toyota Landcruiser, der neben der Piste entlangfährt, zieht eine lange Staubfahne hinter sich her. »Temperatures in the upper seventies«, hatte der Pilot vor der Landung angesagt, über zwanzig Grad Celsius also. Und tatsächlich: Als die Stewardess die Tür öffnet, zischt ein laues Lüftchen in die Maschine. Sollte ich doch richtig angezogen sein? Auf jeden Fall ist es herrlich, mitanzusehen, wie die Survival-Profis schon beim Aussteigen mit all ihren Supergerätschaften ins Schwitzen kommen. Dann die nächste Überraschung: Kangerlussuaq Airport hat einen Finger! Während die Gangway langsam andockt, drängeln sich die atmungsaktiven Horden schon im Gang, als gelte es, irgendeinen wahnsinnig dringenden Anschlussflug zu erreichen. Als vorletzter Passagier schiebe ich mich durch die Sitzreihen und flöte der fünfzigjährigen Stewardess am Ausgang ein etwas zu nettes »Bye« entgegen. Erbärmlich, was der Jetlag aus einem macht. Nach ein paar Schritten dann die Erkenntnis, dass wir Unrecht hatten: Die Interzone hat keineswegs alle Winkel der Welt erreicht, sondern musste ihren Vormarsch kurz vor Grönland stoppen. Kangerlussuaq hat nichts gemein mit allen Airports, auf denen Nick und ich jemals gelandet sind. Hier gibt es keine grünen Schürzen, keine rot-orangenen Kreise, keine goldenen Bögen - und bei meinem Jetlag-Hunger muss ich sagen: leider. Stattdessen stehe ich mitten in einem Bretterverschlag mit zwei Metern Deckenhöhe, der mit unverständlichen Schildern tapeziert ist, die selbst gemalt aussehen wie die Schilder am Waffelstand auf einem Pfarrfest. »Grönlands-grossîsten. DE FRISKE SUTTIKER. 325 BUTTlKER« schreit es mir von einem Poster hinter dem Gate entgegen. Ich habe weder eine Ahnung, was hier angeboten wird, noch, was es kostet, denn alle Preise sind in dänischen Kronen ausgezeichnet - selbst in dem winzigen Souvenirladen, der sich in der Ankunftshalle zwischen zwei giftgrüne Wänden gezwängt hat. So fühlt es sich also an, in der Fremde zu sein. Nach vielen Jahren der Heimspiele in den USA, bei denen Nick und ich mit unserem Akzent oft als »guys from Boston« durchgingen, ist das hier ein echter Neustart. Ich kann keine Schilder lesen und kann nicht verstehen, wovon die Leute reden. Der Einzelhandel von Kangerlussuaq ahnt nicht, was für ein Glückssträhne ihm bevorsteht. Mit mir zusammen zwängen sich Dutzende von verwirrten Windjackenträgern durch die engen Gänge des Terminals. Sie stecken hier fest, weil irgendeine Maschine nach Kopenhagen ausgefallen oder verspätet ist. Der Ami in der Sitzreihe hinter mir hatte während des Fluges seiner Begleiterin erzählt, dass Air Greenland von Einheimischen nur »Air Maybe« genannt würde. Scheint was dran zu sein. Nachdem ich einige Minuten ohne Erfolg die Zollabfertigung gesucht habe - es scheint keine zu geben -, wende ich mich an eine ältere Dame, die im Giftshop die Kasse bedient. »Excuse me, how do I get into town?« Die Grauhaarige lacht, während sie einen Stapel Postkarten eintütet. »Sir,this is the town!«
     
    LEVEL 31
     
    Geht doch. Heute, an meinem zweiten Tag in Kanger, verhält sich das Wetter so, wie es das in der Nähe des Pols sollte: Es ist schlecht, und zwar richtig. Irgendwann. während ich heute Nacht im Zeitzonen- Koma lag, hat es wohl angefangen zu regnen und seitdem auch nicht mehr aufgehört. Das Wasser knallt so heftig gegen die Fensterscheiben des Restaurants, dass man Angst kriegt, sie könnten zerbrechen. Dicke Rinnsale ziehen sich den Rahmen herunter, und auf der Schotterpiste. wo gestern noch der Geländewagen Staub aufgewirbelt hatte, stehen jetzt kleine Teiche aus Schlamm. Obwohl es erst früher Nachmittag ist, hat sich der Himmel so eingedunkelt, dass die Bergkette hinter dem Frachtterminal von Air

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