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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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siehst. Ich kann ihn dir aber jederzeit nachmachen.« »Ich könnte gugolplex viele Schlüssel gebrauchen.« »Gugolplex?« »Einen Gugol für die Macht des Gugol.« »Gugol?« »Das ist eine Eins mit hun dert Nullen.« Er legte mir eine Hand auf die Schulter und sag te: »Du brauchst das passende Schloss.« Ich reckte meinen Arm so hoch wie möglich, um ihm auch eine Hand auf die Schulter legen zu können, und sagte: »Genau.«
    Als ich gehen wollte, sagte er: »Warum bist du nicht in der Schule?« Ich dachte schnell nach und sagte dann: »Heute ist doch Martin-Luther-King-Jr.-Tag.« Lüge Nr. 4. »Ist der nicht im Januar?« »Er ist verschoben worden.« Lüge Nr. 5.
    Bei meiner Rückkehr zur Wohnung sagte Stan: »Du hast Post!«
    Lieber Osk,
    hallo, Junge! Vielen Dank für deinen großartigen Brief und die kugelsicheren Trommelstö cke. Hoffentlich brauche ich sie nie! Ich muss gestehen, dass ich nie ernsthaft erwogen habe, Unterricht zu ge ben …
    Ich hoffe, dir gefällt das beiliegende T-Shirt, das ich dreisterweise gleich für dich signiert habe.
    Dein Kumpel
Ringo
    Das beiliegende T-Shirt mochte ich nicht nur, ich fand es irre ! Nur dass ich es leider nicht anziehen konnte, weil es nicht weiß war.
    Ich laminierte Ringos Brief und heftete ihn in meinem Zimmer an die Wand. Dann recherchierte ich im Internet über Schlösser in New York. Ich fand haufenweise interessante In formationen. Zum Beispiel, dass es 319 Postämter und 207352 Postfächer gibt. Natürlich hat jedes Fach ein Schloss. Außerdem fand ich heraus, dass es ungefähr 70571 Hotelzimmer gibt, die meisten haben ein Türschloss, ein Badezimmerschloss, ein Schrankschloss und ein Schloss für die Minibar. Da ich keine Ahnung hatte, was eine Minibar ist, rief ich beim Plaza an, denn das ist ja ein berühmtes Hotel, und erkundigte mich. Danach wusste ich, was eine Minibar ist. In New York gibt es mehr als dreihunderttausend Autos, die 12187 Taxis und 4425 Busse nicht mitgezählt. Außerdem erinnerte ich mich, beim U Bahn-Fahren gesehen zu haben, wie die Schaffner die Türen mit einem Schlüssel öffneten und verschlossen, diese Schlösser gab es also auch noch. In New York leben mehr als neun Milli onen Menschen (hier kommt alle halbe Minute ein Kind zur Welt), und jeder muss irgendwo wohnen, und die meisten Wohnungen haben eine Eingangstür mit zwei Schlössern, und die meisten Badezimmer kann man ebenfalls abschließen, eini ge andere Zimmer wahrscheinlich auch und die Schränke und Schmuckkästchen, versteht sich von selbst. Dann gibt es noch Büros und Kunstateliers und Lagerräume und Banken mit Schließfächern und Tore vor Höfen und Parkhäusern. Meiner Schätzung nach kamen auf einen Menschen in New York City – alles mit eingerechnet, von Fahrradschlössern über Riegel von Dachluken bis zu Kästchen für Manschettenknöpfe – un gefähr achtzehn Schlösser, insgesamt also gut 162 Millionen, eine Menge, mit der man eine Schlucht füllen konnte.
    »Schell-Residenz … Hallo, Mom … Ein bisschen, aber im mernoch ziemlich schlecht … Nein … Hmhm … Hmhm … Ich glaube schon … Hmhm, ich bestelle mir wohl etwas beim Inder … Ja, aber trotzdem … Okay. Hmhm. Mach ich … Ich weiß … Ich weiß … Tschüs.«
    Ich stoppte die Zeit, und ich brauchte drei Sekunden, um ein Schloss zu öffnen. Dann rechnete ich nach: Wenn in New York jede halbe Minute ein Kind geboren wird und jeder Mensch achtzehn Schlösser besitzt, entsteht alle 2,777 Sekunden ein neues Schloss. Selbst, wenn ich nichts anderes tun würde, als Schlösser zu öffnen, würde ich jede Sekunde 0,333 Schlösser in Rückstand geraten. Und das auch nur, wenn der Weg von einem Schloss zum anderen nicht weit war, und wenn ich nicht essen und schlafen würde, was im Notfall okay wäre, weil ich sowieso nicht schlafen konnte. Ich brauchte ein deutig einen besseren Plan.
    An diesem Abend zog ich meine weißen Handschuhe an, ging in Dads Kammer und fischte die Tüte mit den Scherben der Vase aus dem Papierkorb. Ich suchte nach weiteren Hin weisen. Ich musste höllisch aufpassen, um die Beweisstücke nicht zu verderben oder Moms Aufmerksamkeit zu wecken und mich nicht zu schneiden oder zu infizieren, und ich fand den Umschlag, in dem sich der Schlüssel befunden hatte. Erst da fiel mir etwas auf, das einem guten Detektiv schon im ers ten Moment aufgefallen wäre: Irgendjemand hatte das Wort »Black« hinten auf den Umschlag geschrieben. Dass ich diesen Hinweis übersehen hatte, ärgerte

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