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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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»Tja«, sagte sie, »ich weiß nicht, ob es überhaupt etwas zu be deuten hat. Aber schau mal: Wenn jemand einen Stift auspro biert, schreibt er meist entweder den Namen der Farbe, die er benutzt, oder er schreibt seinen eigenen Namen. Und da ›Black‹ in Rot geschrieben ist, glaube ich fast, dass es sich um einen Namen handelt.« »Den eines Mannes oder den einer Frau?« »Und außerdem …« »Ja?« »Außerdem ist das B groß ge schrieben. Das deutet meiner Meinung nach ebenfalls auf ei nen Namen hin.« »Hammerhart!« »Wieso?« »Black wurde von Black geschrieben!« »Bitte?« » Black wurde von Black geschrieben ! Ichmuss Black finden!« Sie sagte: »Wenn ich dir noch irgend wie helfen kann, sag Bescheid.« »Ich liebe Sie.« »Würdest du bitte aufhören, dein Tamburin in meinem Laden zu schütteln?«
    Sie ging, und ich blieb noch eine Weile stehen und versuch te, mit meinen Gedanken Schritt zu halten. Während ich dar über nachdachte, was Stephen Hawking als Nächstes getan hätte, blätterte ich den Block durch.

Nach einer Ewigkeit stieg ich aus dem Bett und ging in meine Kleiderkammer. Dort bewahrte ich das Telefon auf. Seit dem allerschlimmsten Tag hatte ich es nicht mehr hervor geholt. Ich hatte einfach nicht gekonnt.
    Ich denke ständig an die viereinhalb Minuten zwischen Dads Anruf und meiner Heimkehr. Stan streichelte mir über die Wange, eine ungewohnte Geste, und sagte: »Ich habe mich noch nie so gefreut, dich wiederzusehen.« Ich nahm zum letz ten Mal den Fahrstuhl. Ich öffnete die Tür zu unserer Woh nung, stellte meine Tasche ab und zog die Schuhe aus, als wäre alles in bester Ordnung, denn ich wusste ja nicht, dass in Wahrheit alles ganz furchtbar war, und wie sollte ich das auch wissen? Ich kraulte Buckminster, um ihm zu zeigen, dass ich ihn lieb hatte. Ich ging zum Telefon, um die Anrufe abzuhö ren, und ich hörte sie mir der Reihe nach an.
    Nachricht Eins: 8:52 Uhr
    Nachricht Zwei: 9:12 Uhr
    Nachricht Drei: 9:31 Uhr
    Nachricht Vier:9:46 Uhr
    Nachricht Fünf: 10:04 Uhr
     
    Ich überlegte, Mom anzurufen. Ich überlegte, Oma mit mei nem Walkie-Talkie anzufunken. Ich hörte mir die Nachrich ten ein zweites Mal an. Ich schaute auf meine Uhr. Es war 10:26:41 Uhr. Ich dachte daran, einfach wegzurennen und nie wieder mit jemandem zu reden. Ich dachte daran, mich unter meinem Bett zu verkriechen. Ich dachte daran, so schnell wie möglich in die Innenstadt zu fahren, um Dad irgendwie selbst zu retten. Und dann klingelte das Telefon. Ich schaute auf mei ne Uhr. Es war 10:26:47 Uhr.
    Mom durfte diese Nachrichten niemals hören, das war klar, denn eine meiner rasions d’etre besteht darin, Mom zu beschüt zen, und deshalb nahm ich mir das Geld, das Dad als Notreserve oben auf die Kommode gelegt hatte, und ich ging zu Radio Shack in der Amsterdam Avenue. Dort sah ich im Fernsehen, dass die Gebäude eingestürzt waren. Ich kaufte genau das gleiche Telefon noch einmal und rannte nach Hause und überspielte die Ansage unseres Anrufbeantworters auf das neue Telefon. Ich wickelte das alte Telefon in den Schal, den Oma nie fertig bekam, weil ich immer auf meiner Intimsphäre bestand, und ich steckte beides in eine Einkaufstüte, und ich steckte die Tüte in einen Karton, und diesen Karton steckte ich in einen anderen Karton, und ich versteckte ihn in meiner Kleiderkammer unter einem Haufen Zeug, wie zum Beispiel der Werkbank, auf der ich Schmuck bastele, und den Sammelalben für ausländische Münzen.
    Doch in der Nacht, als ich die Suche nach dem Schloss zu meiner obersten raison d’etre erhob – jener raison , die über allen anderen stand –, musste ich die Nachrichten unbedingt hören.
    Ich achtete höllisch darauf, keinen Lärm zu machen, als ich das Telefon aus den schützenden Hüllen holte. Obwohl ich es ganz leise gestellt hatte, damit Mom nicht wach wurde, füllte Dads Stimme das ganze Zimmer wie Licht, das schwach ist, den Raum aber trotzdem erhellt.
    Nachricht Zwei. 9:12. Ich bin es nochmal. Seid ihr da? Hallo? Tut mir Leid, wenn. Es langsam etwas. Verraucht ist. Ich hatte ge hofft, ihr wärt. Zu. Hause. Keine Ahnung, ob ihr wisst, was pas siert ist. Aber. Ich. Will euch nur sagen, dass es mir gut geht. Alles. Ist. Okay. Ruft Oma an, wenn ihr diese Nachricht abhört. Sagt ihr, dass es mir gut geht. Ich melde mich bald wieder. Dann ist die Feuerwehr hoffentlich. Schon hier oben. Ich melde mich.
     
    Ich wickelte das Telefon wieder in den halb fertigen Schal, steckte beides wieder in die

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