Exzession
Der
Pondrosaurier bäumte sich auf und blökte, beinahe wäre
der Treiber von seinem Hals gefallen. Der Knüppel entfiel seinem
Griff und landete hüpfend auf der Straße. Zwei der
Kliestrithrals sprangen hoch und machten Sätze in die Menge,
schnaubend und ihre Führer mit sich zerrend. Die beiden
Sintrikats, die mit dem Elefantentreiber herumgestritten hatten,
erhoben sich eilends in die Luft und aus dem Weg; Leute in
Schwimmgeschirren unternahmen Ausweichmanöver, um dem Wirrwarr
aus Suchstrahlern und Flak-Geschossen zu entgehen. Flin und
Genar-Hofoen beobachteten, wie Leute in alle Richtungen davonstoben,
während der Pondrosaurier mit erstaunlicher Geschmeidigkeit nach
vorn sprang und auf der Straße auf sie zu raste. Der Treiber
klammerte sich verzweifelt an den Ohren des wilden Tieres fest und
versuchte, es mit Gebrüll zum Anhalten zu bringen. Die schwarze
und silberne Sänfte auf dem Rücken des Tieres schien
über ihm zu schweben, bis die zunehmende Geschwindigkeit des
Tieres sie zwang, von einer Seite zur anderen zu oszillieren. Flin
war neben Genar-Hofoen erstarrt.
Genar-Hofoen sah sich nach dem Mistretl um. »Also dann«,
sagte er, »laß uns losfahren!« Das kleine Mistretl
blinzelte schnell, die Straße überblickend. Ein zweites
Blöken hallte von den nächsten Gebäuden wider.
Genar-Hofoen sah sich erneut um.
Der heranpreschende Pondrosaurier reckte ein Vorderglied und
riß sich die Augenschalen weg, wodurch riesige blaue
Facettenaugen wie Brocken uralten Eises zum Vorschein kamen. Mit dem
anderen Glied packte es den Treiber bei der Schulter und schleuderte
ihn von seinem Hals; er zappelte und fuchtelte wild herum, aber das
Tier schleuderte ihn zur Seite und auf das Pflaster; er landete im
Laufschritt, stürzte und rollte weg. Der Pondrosaurier tapste
weiter die Straße hinunter; die Leute warfen sich ihm aus dem
Weg. Jemand in einer Blasensphäre bewegte sich nicht schnell
genug; der riesige durchsichtige Ballon wurde zur Seite geschubst,
krachte in eine Imbißbude mit irgendwelchem heißen Zeug;
Flammen loderten aus den Ruinen hervor.
»Scheiße«, fluchte Genar-Hofoen, während der
Riese weiter auf sie zutrabte. Er wandte sich wieder dem
Mistretl-Fahrer zu. Er sah das Gesicht des Ysners, der sich umgedreht
hatte, um auch die Straße hinter ihnen in Augenschein zu
nehmen, wobei sein großes Gesicht lediglich gelindes Erstaunen
ausdrückte. »Los!« schrie er.
Das Mistretl nickte. »Gute Idee!« zirpte es. Es griff
nach hinten, um einen Riemen am Hinterteil des Ysners zu lösen,
und stieß die Stiefelabsätze in den unteren Halsteil des
Tieres. Der verblüffte Ysner setzte sich in Bewegung und
ließ das Trapp stehen; das Gefährt kippte nach vorn,
während das Ysner-Mistretl-Paar die plötzlich geräumte
Straße hinab verschwand. Genar-Hofoen und Flin wurden in einem
Gewirr von Zaumzeug nach vorn geworfen. Er hörte sie
»Verdammte Scheiße!« rufen und dann ein »Uff« ausstoßen, als sie auf der Straße
landeten.
Etwas schlug hart gegen seinen Kopf. Für eine Sekunde wurde
ihm schwarz vor den Augen, dann kam er wieder zu sich und blickte in
ein riesiges Gesicht, eine unheimliche Fratze, die mit großen
Prismenaugen auf ihn herabsah. Dann sah er das Gesicht der Frau. Das
Gesicht von Dajeil Gelian. Sie hatte Blut auf der Oberlippe. Sie sah
ihn erschöpft an und wandte sich dann dem riesigen Tiergesicht
zu, das auf sie herabstarrte. Von irgendwoher kam ein Brummen, eher
fühlbar als hörbar. Genar-Hofoen spürte, wie seine
Beine taub wurden. Die Frau sackte auf seine Beine. Ihm wurde
übel. Linien aus roten Punkten, die sich quer über den
Himmel zogen, schwebten hinter seinen Augenlidern, als er sie
schloß. Als er sich zwang, die Augen wieder zu öffnen, war
sie wieder da. Eine Person, die aussah wie Dajeil Gelian, aber nicht
sie war. Nur daß es auch nicht Flin war. Sie war anders
gekleidet, sie war größer, und ihr Gesichtsausdruck
war… nicht derselbe. Und überhaupt, Flin lag immer noch
bewußtlos über seine Beine hingegossen da.
Er verstand wirklich nicht, was hier vor sich ging. Er
schüttelte den Kopf. Das tat weh.
Das Mädchen, das weder Dajeil noch Flin war, bückte sich
geschwind, sah ihm in die Augen, schleuderte den Umhang in einer
einzigen Bewegung von den Schultern und auf die Straße neben
ihm, dann rollte sie ihn darauf und hob gleichzeitig Flins
unbeweglichen Körper aus dem Weg. Er fuchtelte wild mit den
Armen, erreichte damit jedoch nichts.
Der Umhang unter ihm
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