Exzession
ein Vorurteil seinerseits sein konnte.
Die Erhabenen hatten das, was ein normaler, doch im allgemeinen
freiwilliger Teil der Schicksalswahl einer Spezies war, zu einer
Religion erhoben. Die Erhabenen glaubten, daß sich jeder der
Erhabenheit hingeben sollte, daß jedes menschliche oder
tierische Wesen sowie jede Maschine und jedes Gehirn auf direktem Weg
eine höchste Transzendenz anstreben, dem weltlichen Leben
abschwören und einen möglichst direkten Kurs in Richtung
Nirwana einschlagen sollte.
Leute, die sich dem Kult anschlossen, verbrachten ein Jahr mit dem
Bemühen, andere zu dieser Einstellung zu überreden, bevor
sie sich selbst der Erhabenheit verschrieben und in einem der
Gruppengehirne der Sekte aufgingen, um Betrachtungen über das
Irrationale anzustellen. Die wenigen Drohnen, KI und Gehirne, die
sich von den Vorzügen dieses Weges überzeugen ließen,
neigten dazu, das zu tun, was jede andere Maschine unter solchen
Umständen getan hätte, nämlich in Richtung der
nächsten Erhabenen Wesenheit zu verschwinden, obwohl ein paar
davon sich lange genug in einem Zustand der Vor-Erhabenheit
herumdrückten, um der Sache dienlich zu sein. Im allgemeinen
wurde der Kult jedoch als ein eher sinnloser eingeschätzt. Der
Übergang in die Erhabenheit wurde normalerweise als etwas
angesehen, das ganzen Gesellschaftsgruppen widerfuhr, eher als eine
praktische Veränderung des Lebensstils denn als religiöse
Anbindung; mehr wie ein Umzug von einem Haus in ein anderes und nicht
so sehr wie der Beitritt zu einem geheiligten Orden.
»Na ja, ich weiß nicht so recht«, sagte
Genar-Hofoen in zurückhaltendem Ton. »Woran glaubt ihr
Leute noch mal?«
Die Erhabene warf einen prüfenden Blick auf die Straße
hinter ihm. »Oh, wir glauben an die Macht der Erhabenheit«,
sagte sie. »Ich will Ihnen gerne mehr darüber
erzählen.« Sie sah wieder die Straße hinauf.
»Ach, vielleicht sollten wir nicht auf der Straße
stehenbleiben, meinen Sie nicht?« Sie streckte die Hand aus und
trat einen Schritt zurück auf den Gehsteig.
Genar-Hofoen blickte sich um, zu der Stelle, wo der Lärm
jetzt zunahm. Das riesige Tier, das ihm zuvor aufgefallen war –
ein sechsfüßiger Pondrosaurier – trottete inmitten
eines Gefolges und einer Meute von Schaulustigen die Straße
herab. Das zottelige, braunpelzige Tier war sechs Meter hoch,
prächtig herausgeputzt mit langen, bunten Fahnen und
Bändern und wurde befehligt von einem prunkvoll uniformierten
Elefantentreiber, der einen feurigen Knüppel schwenkte. Auf dem
Rücken des Tiers schaukelte eine glitzernde schwarze und
silberne Sänfte, deren fein ziselierte Fenster keinen Hinweis
darauf gaben, wer oder was sich im Innern befinden mochte.
Ähnlich geschmückte Schalen bedeckten die Augen des Tiers.
Es wurde von fünf springenden Kliestrithrals begleitet, und
jedes dieser mit schwarzen Stoßzähnen ausgestatteten
Geschöpfe stampfte auf den Straßenbelag und schnaubte und
wurde von einem bulligen Mietwächter an einer kurzen Leine
geführt. Ein Knäuel von Menschen hielt die Prozession auf;
der Pondrosaurier hielt inne und legte den langen Kopf zurück,
um ein überraschend sanftes, unterdrücktes Brüllen
auszustoßen, dann rückte er seine Augenschalen mit den
beiden beindicken vorderen Gliedmaßen zurecht und nickte nach
beiden Seiten. Die Ansammlung von Neugierigen löste sich
allmählich auf, und das große Tier und seine Eskorte
bewegten sich weiter.
»Hmm, ja«, sagte Genar-Hofoen. »Vielleicht ist es
besser, wenn wir nicht im Weg herumstehen.« Er trank den 9050
aus und sah sich nach einem geeigneten Platz um, wo er den leeren
Kelch absetzen könnte.
»Bitte, erlauben Sie.« Das Erhabene Mädchen nahm
ihm den Feld-Kelch ab, als ob er irgendein geheiligter Gegenstand
wäre. Genar-Hofoen folgte ihr auf den Gehsteig; sie schob einen
Arm unter den seinen, und sie gingen langsam auf den Eingang zu dem
Adyton zu, wo immer noch die Frau stand und sich mit dem Ausdruck
ironischer Neugier mit den beiden Erhabenen unterhielt.
»Haben Sie schon mal etwas von den Erhabenen
gehört?« fragte das Mädchen an seinem Arm.
»Oh ja«, versicherte er, während er das Gesicht der
anderen Frau beim Näherkommen beobachtete. Sie blieben auf dem
Gehsteig vor dem Erhabenen Gebäude stehen und traten in ein
Ruhe-Feld, in dem die einzigen Geräusche sanft tröpfelnde
Musik und ein Hintergrundrauschen von Wellen am Strand waren.
»Ihr glaubt, daß sich jeder sozusagen in den eigenen Arsch
kriechen
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