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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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sollte, nicht wahr?« fragte er mit Unschuldsmiene. Er
war nur wenige Meter von der Frau in dem Schattengewand entfernt,
obwohl er wegen des unterteilten Ruhe-Feldes nicht hören konnte,
was sie sprach. Ihr Gesicht war ziemlich genauso, wie er es in
Erinnerung hatte; die Augen und der Mund waren dieselben. Sie hatte
ihr Haar niemals auf diese Weise hochgesteckt getragen, aber selbst
dessen schwarzblaue Tönung war unverändert.
    »Oh nein!« sagte das Erhabene Mädchen mit
schrecklich ernster Miene. »Was wir glauben, entledigt einen
vollkommen solcher körperlicher Belange…«
    Aus dem Augenwinkel konnte er die Straße überblicken,
wo der Pondrosaurier durch eine dichtgedrängte Menge von
Bewunderern trottete. Genar-Hofoen lächelte das Erhabene
Mädchen an, während es weiterredete. Er bewegte sich ein
wenig, damit er die andere Frau besser sehen konnte.
    Nein, sie war es nicht. Natürlich nicht. Sonst hätte sie
ihn erkannt, hätte inzwischen irgendwie reagiert.
    Selbst wenn sie versucht hätte, so zu tun, als hätte sie
ihn nicht gesehen, wäre ihr das anzumerken gewesen; sie war noch
nie besonders gut darin gewesen, ihre Gefühle vor irgend
jemandem zu verstecken, und schon gar nicht vor ihm. Sie warf ihm
erneut einen Blick zu und wandte ihn schnell wieder ab. Ihn
überkam ein plötzliches, unerwartetes Gefühl von
gefährlichem Vergnügen, eine Erregung, bei der seine Haut
kribbelte.
    »… höchster Ausdruck unseres grundsätzlichen
Verlangens, größer zu sein, als wir…« Er nickte
und sah das Erhabene Mädchen an, das ununterbrochen
weiterplapperte. Er runzelte leicht die Stirn und rieb sich mit der
freien Hand das Kinn, wobei er nickte. Er behielt die andere Frau im
Auge. Draußen auf der Straße hatten der Pondrosaurier und
sein Gefolge fast auf einer Höhe mit ihnen angehalten; ein
Stuf-Sintrikat verharrte neben dem Treiber des großen Tieres in
der Schwebe, während jener anscheinend verärgert auf dieses
einredete.
    Die Frau lächelte den beiden anderen Erhabenen mit einem
anscheinend duldsam-spöttischen Ausdruck zu. Ihr Blick haftete
weiterhin auf dem einen der beiden Männer, der in diesem Moment
redete, doch gleichzeitig holte sie tief Luft und sah – beim
Ausatmen – Genar-Hofoen mit einem sehr flüchtigen
Lächeln und der Andeutung eines Stirnrunzelns an, bevor sie den
Blick wieder den Erhabenen zuwandte und den Kopf ein klein wenig zur
Seite neigte.
    Er dachte nach. Würden die BG wirklich so weit gehen, um ihn
bewachen zu lassen oder zumindest im Auge zu behalten? Wie
wahrscheinlich war es, jemanden zu finden, der ihr so sehr
ähnelte? Er vermutete, daß es Hunderte von Leuten geben
mußte, die Dajeil Gelian annähernd gleichsahen; vielleicht
gab es sogar einige, die etwas über sie gehört hatten und
absichtlich ihr äußeres Erscheinungsbild nachahmten; so
etwas geschah andauernd mit wirklich berühmten
Persönlichkeiten, und nur weil er noch nie jemanden über
Dajeils Aussehen reden gehört hatte, bedeutete das noch lange
nicht, daß das in ihrem Fall noch nie geschehen war. Wenn es
sich bei dieser Person um einen solchen Fall handelte, war es
durchaus möglich, daß er auf der Hut sein
mußte…
    »… persönlicher Ehrgeiz oder der Wunsch, sich zu
bessern oder den eigenen Kindern bessere Voraussetzungen zu schaffen,
sind nur eine blasse Widerspiegelung der höchsten Transzendenz,
die die wahre Erhabenheit bietet; denn, wie geschrieben
steht…«
    Genar-Hofoen beugte sich näher zu dem plappernden
Mädchen hinüber und tippte ihr leicht auf die Schulter.
»Davon bin ich überzeugt«, sagte er ruhig.
»Würdest du mich für einen Augenblick
entschuldigen?«
    Er tat die zwei Schritte hinüber zu der Frau in dem
Schattengewand. Sie wandte den Kopf von den beiden Erhabenen ab und
lächelte ihn höflich an. »Entschuldigen Sie«,
sagte er, »kenne ich Sie vielleicht von irgendwoher?« Dabei
mußte er grinsen, da ihm sowohl die Abgedroschenheit dieser
Worte bewußt war als auch die Tatsache, daß weder er noch
sie wirklich an dem interessiert waren, was die Erhabenen zu sagen
hatten.
    Sie nickte ihm mit einer leichten Neigung des Kopfes höflich
zu. »Das glaube ich nicht«, sagte sie. Ihre Stimme war
höher als Dajeils, mädchenhafter, und sie sprach mit einem
vollkommen anderen Akzent. »Doch wenn wir uns schon einmal
begegnet wären und Sie sich nicht entscheidend geändert
hätten und ich es vergessen hätte, würde ich mich
bestimmt zu sehr schämen, um das zuzugeben.« Sie
lächelte.

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